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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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er Tarot mit ‚Königlicher Weg zum Leben’.
    Unsichtbar schüttelte Bruder Paul den Kopf und bewegte sich weiter fort. Er begegnete einem Schüler Gebelins namens Aliette, von Beruf Perückenmacher, der befand, das Tarot reiche viertausend Jahre zurück bis in die Zeit der Sintflut. Er änderte seinen Namen und verwendete ihn bei der Bezeichnung seines Spiels, wobei er ein bescheidenes Beiwort seines Wertes zufügte: Grand Ettella. Hier wurde aus der Päpstin eine Beraterin, eine hübsche, nackte Frau in einem Wirbelsturm; jene Karte trug ebenfalls seinen Namen Etteila. Aus Königen und Königinnen wurden Handwerker und Damen der Gesellschaft, und aus dem Narren wurde ‚Die Torheit’ oder ‚Wahnsinn’. Das Spiel war gut bebildert und sehr schön, aber Bruder Paul wollte nicht länger verweilen.
    Als nächstes traf er auf Alphonse Louis Constant, der unter dem Pseudonym Eliphas Levi das Tarot noch weiter zurück bis zu Enoch datierte, dem biblischen Sohn Kains. Er verband es mit der jüdischen Kabbala und setzte die Trümpfe mit den verschiedenen Wegen des kabbalistischen Baums des Lebens in Beziehung. Dann sah Bruder Paul Gerhard Encausse, der unter dem Namen Papus die Trümpfe mit den zweiundzwanzig Buchstaben des hebräischen Alphabets in Verbindung brachte. „Abraham dem Juden hätte das gefallen“, meinte Bruder Paul und glitt weiter.
    Schließlich gelangte er ins zwanzigste Jahrhundert. Hier gab es den Order of the Golden Dawn, den Orden der Goldenen Dämmerung, und Arthur Edward Waite, der ein weiteres ‚korrektes’ Tarot entwarf. Waite verwandelte den Narren in eine Heiligenfigur mit dem Hund als tänzelndem Haustier anstatt eines beißenden Biestes, und aus der Päpstin wurde eine jungfräuliche Hohepriesterin. Er verkehrte einen der Diener des Teufels in eine vollbusige nackte Frau, die Eva sein sollte, und spielte großzügig mit den Symbolen, so wie ein Lektor ein Manuskript, das er nicht versteht, mit dem Rotstift durchgeht. Und natürlich ist es ihm auch nicht gelungen, den Eremiten wieder zur Figur ‚Zeit’ zu verwandeln. Paul Foster Case, ein weiteres Mitglied dieses Ordens, verbesserte die Bilder und behielt alle Fehler Waites für sein Spiel bei, und Bruder Pauls Orden der Vision verbesserte diese Case-Variante für das eigens entwickelte Tarotspiel.
    Aber Bruder Paul merkte, daß er das Spiel von seinem Orden nicht mehr akzeptieren konnte. Er stand nur teilweise mit der Wahrheit, wie er sie nun kannte, in Beziehung. „Oh, Satan, du hast mir etwas genommen, das ich geschätzt habe“, sagte er. „Ich war mit dem Tarot des Visionsordens zufrieden, weil ich glaubte, es sei das echteste und verfeinertste überhaupt – bis ich in die Hölle kam.“
    Aber er fuhr fort. Aleister Crowley war ein weiteres Mitglied des Dämmerungsordens, der seiner Phantasie freien Lauf ließ. Er verwandelte Tapferkeit zu Lust, mit einer nackten Frau, die genüßlich eine vielköpfige Bestie besteigt, wobei eine Hand auf dem Penis des Tieres ruht, während die andere einen Kelch wie einen aufnahmebereiten Schoß vor einem Hintergrund aus Spermien und Eizellen hält. Sein Teufel ähnelte einem monströsen Phallus mit einem darauf sitzenden Ziegenbock. Aus ‚Gerechtigkeit’ wurde die ‚Anpassung’, ‚Mäßigung’ wurde zu ‚Kunst’, ‚Urteilsfähigkeit’ zu ‚Ewigkeit’, der ‚Gehenkte’ war kastriert (Bruder Paul erlitt einen empathischen Schock) und der ‚Eremit’ – blieb ‚Eremit’.
    Bruder Paul warf die unsichtbaren Hände empor und flog weiter. Jetzt kannte er theoretisch die Identität seines Bösen Begleiters und war sich nicht sicher, ob er mehr erfahren wollte.
    Doch es gab immer mehr Tarotvariationen. Eine Gruppe benutzte Medien und ein Ouija-Brett, um ein neues Tarot, ganz anders als die vorherigen, zu schaffen. Es gab ein Militärtarot und ein Tiertarot und ein Tarot mit nackten Frauen und ein kosmisches Sternenmädchentarot und sogar ein Teufelstarot …
    „Es reicht, Satan!“ rief Bruder Paul unhörbar. „Alle Varianten des bedeutungslosen Spiels, das ich der Welt beschert habe, sind von Idioten bis zur Unkenntlichkeit fehlinterpretiert worden: Zeig mir etwas Bedeutsames und nicht diese unendlichen Banalitäten!“ Wenn so das Leben eines wandernden Geistes oder einer Seele aussah, dann war es so frustrierend, daß es eine weitere Version der Hölle hätte sein können. Wenn man sich das Wissen der Welt aneignete, so ebenfalls die Narreteien der Welt – und man konnte nichts

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