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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Lady
Maria. Mit einem freundlichen Nicken erlaubte sie mir, mich
zurückzuziehen. Die Musik setzte wieder ein. Ich behielt Robert Dudley
im Auge, der erst eine, dann eine andere junge Dame vor den Augen der
Lady Maria zum Tanz bat, und wurde nach einigen Minuten belohnt, denn
er warf mir einen Blick zu und ließ mir ein verstohlenes, lobendes
Lächeln zukommen.
    An diesem Abend suchte Lady Maria den König
nicht mehr auf, doch dem Klatsch der Zimmermädchen war zu entnehmen,
dass sie am nächsten Tag sein Gemach besuchte und beim Herauskommen
weiß wie ein Laken war. Sie hatte zuvor nicht gewusst, wie nahe ihr
kleiner Bruder dem Tode war.
    Danach bestand kein Grund mehr zum Verweilen. Lady Maria ritt
von dannen, wie sie gekommen war, mit großem Gefolge, und der ganze
Hofstaat verneigte sich bis zum Erdboden, um seine neu entdeckte
Ergebenheit unter Beweis zu stellen – die Hälfte der Höflinge
betete insgeheim darum, dass Maria nach der Thronbesteigung mit seliger
Vergesslichkeit geschlagen sein sollte und hoffentlich übersah, wie
viele Priester auf dem Scheiterhaufen verbrannt und wie viele Kirchen
geplündert worden waren.
    Ich betrachtete diese Zurschaustellung von Demut aus einem der
Palastfenster, als ich eine leichte Berührung am Ärmel spürte. Ich
wandte mich um, und da stand Lord Robert und lächelte auf mich herab.
    »Mylord, ich habe geglaubt, Ihr wäret bei Eurem Vater, um
gemeinsam Lady Maria zu verabschieden.«
    »Nein, ich habe dich gesucht.«
    »Mich?«
    »Ich wollte dich fragen, ob du mir einen Dienst erweist.«
    Ich fühlte, wie mir die Farbe in die Wangen stieg. »Alles, was
Ihr wollt …«, stammelte ich.
    Er lächelte. »Nur einen kleinen Gefallen. Würdest du mich in
die Gemächer meines Lehrers begleiten und ihm bei einem seiner
Experimente assistieren?«
    Ich nickte. Lord Robert nahm meine Hand unter seinen Arm und
führte mich zu den Privatgemächern der Northumberlands. Die hohen Türen
wurden von Männern mit dem Northumberland-Wappen bewacht, und sobald
sie den Lieblingssohn des Herzogs erblickten, schwenkten sie
diensteifrig die Türen auf. Die große Halle lag verlassen da, denn
Northumberlands Gefolgsleute und Höflinge hielten sich im Garten von
Whitehall auf, um der scheidenden Lady Maria ihre Ehrerbietung zu
zollen. Lord Robert führte mich die große Treppe hinauf, dann über eine
lange Galerie zu seinen Gemächern. John Dee saß in der Bibliothek, die
auf einen Innengarten hinausging.
    Als wir eintraten, hob er den Kopf. »Ah, Hannah Verde.«
    Meinen wahren Namen in voller Länge zu hören, erschreckte mich
so, dass ich einen Augenblick sprachlos war, dann deutete ich eine
Verbeugung an. »Ja, Sir.«
    »Sie hat zugesagt zu helfen. Aber ich habe ihr nicht gesagt,
was Ihr wollt«, erklärte Lord Robert.
    Mr. Dee erhob sich vom Tisch. »Ich habe hier einen besonderen
Spiegel«, begann er. »Ich glaube, für jemanden mit besonders
hellsichtigen Augen wäre es möglich, Lichtstrahlen zu sehen, die das
normale Auge nicht wahrnimmt. Verstehst du, was ich meine?«
    Ich verstand gar nichts.
    »Einen Ton oder einen Geruch können wir nicht sehen, hegen an
seinem Vorhandensein jedoch keinen Zweifel. Ebenso glaube ich, dass die
Planeten und die Engel Lichtstrahlen aussenden, die wir sehen könnten,
wenn wir nur den richtigen Spiegel dafür hätten.«
    »Oh«, machte ich verwirrt.
    Der Lehrer brach die Lektion mit einem Lächeln ab. »Mach dir
nichts daraus. Du musst das nicht verstehen. Ich habe nur gedacht, weil
du damals den Engel Uriel gesehen hast, könntest du solche
Lichtstrahlen in diesem Spiegel sehen.«
    »Ich habe nichts dagegen, einmal zu schauen, wenn Lord Robert
das wünscht«, sagte ich bereitwillig.
    John Dee nickte. »Es ist alles bereit. Tritt ein.« Er ging
voran in die hintere Kammer. Das Fenster war mit einem schweren Vorhang
verhängt, sodass kein kaltes Winterlicht eindringen konnte. Vor dem
Fenster stand ein viereckiger Tisch, dessen Beine auf vier Wachssiegeln
ruhten. Auf dem Tisch erblickte ich einen außergewöhnlichen Spiegel von
seltener Schönheit mit einem Rahmen aus Gold und abgeschrägtem Rand,
die Silberauflage glänzte golden. Ich trat vor den Spiegel und
erblickte mich selbst, in Gold gespiegelt. Hier sah ich nicht mehr aus
wie ein seltsam androgynes Mischwesen, sondern wie eine junge Frau.
Einen Moment lang glaubte ich, meine Mutter zu sehen, ihr liebliches
Lächeln und die typische Art, wie sie den Kopf gewandt hatte. »Oh!«,
rief ich aus.
    »Siehst

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