Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
Davro. Helft uns, dann bekommt Ihr vielleicht auch Eure Rache.«
Der Oger runzelte die Stirn so heftig, dass sein großes Horn zitterte. »Ich glaube«, sagte er und rammte den Schaft seines Speeres in den Boden neben sich, »ihr solltet doch besser hereinkommen. Aber bitte macht eure Stiefel an dem Kratzer neben der Tür sauber, ja? Ich habe gerade das ganze Haus gefegt.«
»Ich gehe also mal davon aus, das du kein großer Bewunderer deines Vaters bist, richtig?«
Mellorin saß auf dem Rand einer klobigen Matratze, die offenbar mit ungegerbten Häuten und unbehandelten Fellen gestopft war, und versuchte so flach zu atmen wie möglich. Kaleb hockte neben ihr. Er ließ sich sein Unbehagen nicht anmerken, außer dass er gelegentlich die Nasenflügel blähte. Jassion dagegen stand ein Stück abseits und bemühte sich
erst gar nicht, seine angewiderte Miene zu verbergen. Davro hockte auf einem breiten Baumstumpf, der ihm offenbar als Hocker diente. Jetzt, aus der Nähe und nicht vom Kampfgetümmel abgelenkt, bemerkte Mellorin, dass seine Hände nur vier dicke Finger aufwiesen und seine Haut dunkelrot war. Sie hatte diese Färbung sowohl bei ihm als auch bei dem Oger im Sumpf zunächst auf einen Sonnenbrand geschoben, aber nun begriff sie, dass es deren normale Hautfarbe war.
Im ersten Moment registrierte sie gar nicht, dass er sie angesprochen hatte, doch dann blinzelte sie und konzentrierte sich auf Davros Gesicht. Dabei bemühte sie sich, weder das Auge noch das große Horn oder die gewaltigen unteren Eckzähne anzustarren, die weit über die Lippen hinausragten.
»Ich … ich kenne überraschend wenige Einzelheiten vom Leben meines Vaters«, gab sie zu. »Bis vor ein paar Jahren wusste ich noch nicht einmal, wer er wirklich war, und meine Mutter hält mich immer noch für ahnungslos.« Jedenfalls hat sie es getan, bis ich mit Kaleb und meinem Onkel davongelaufen bin, fügte sie im Geiste hinzu. »Und nein, ich bin nicht gerade glücklich über das, was ich weiß. Corvis Rebaine war kein guter Mensch.«
»Das ist erneut ziemlich untertrieben«, grollte Davro und lachte keuchend. »Also, worum geht es dann? Bist du auf einem gewaltigen Kreuzzug der Gerechtigkeit, um die Untaten deines Vaters ungeschehen zu machen?« Seine Verachtung war so deutlich spürbar, dass man damit die Wände hätte bemalen können.
Kaleb runzelte die Stirn. »Ich bin nicht sicher, ob ihre Beweggründe in irgendeiner Weise etwas mit …«
»Nein«, unterbrach ihn Mellorin. »Natürlich heißt das, dass ich, sollte ich etwas wiedergutmachen können von dem, was er angerichtet hat, gewiss die Gelegenheit ergreifen werde. Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich will«, erläuterte
sie, ohne darauf zu warten, ob er sie danach fragte, »herausfinden, wie er das tun konnte, was er getan hat … Und warum er seine Familie verlassen hat, um dort weiterzumachen, wo er vor so vielen Jahren aufgehört hatte.«
»Er wollte dich vor Audriss beschützen.« Noch während Davro das sagte, verzog sich seine Miene vor Überraschung, dass er diesen Mann tatsächlich verteidigte.
»Ursprünglich vielleicht. Aber an dem Punkt hat er nicht aufgehört.«
»Natürlich nicht.« Der Oger schüttelte den Kopf. »Ich hätte es wissen müssen. Man kann diesem Mistkerl einfach kein Wort glauben. Wenn er mir gegenüber behaupten würde, dass jeden Morgen die Sonne aufginge, würde ich trotzdem sofort loslaufen und Fackeln kaufen.«
»Genau. Und ich will ihn fragen, warum das so ist.«
»Verstehe.« Der Oger kaute auf seiner Unterlippe. »Wenn du jetzt noch auf die andere Tränendrüse drückst, leuchtet mein Horn auf wie ein Glühwürmchen.«
»Was?« Mellorin klang fast schockiert.
Jassions Miene verfinsterte sich, nur Kaleb verzog die Lippen zu einem wissenden Lächeln.
»Die Sache mit deinem Vater«, fuhr Davro fort, »ist die, dass er für alles ein Motiv hatte, mochte es versteckt sein oder auf der Hand liegen. Ich glaube keine Sekunde, dass du kleiner Apfel, so süß und winzig du auch sein magst, so weit von seinem hässlichen, gemeinen Stamm gefallen bist. Die Neugier kann jemanden dazu bringen, viele Dinge zu tun, aber das gewohnte Leben aufzugeben? Niemals. Du hast keine Frage, kleine Rebaine, sondern ein Ziel.«
Zum ersten Mal sah Kaleb, wie sich die Miene des Mädchens verzog, nicht vor Wut oder vor Trauer, sondern vor Hass. »Mein Vater«, wiederholte sie, »war kein guter Mann. Er war ein Monster. Was er an Leben nicht zerstört hat«,
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