Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
– und durch das verletzte Herz einer Frau, die jeder von ihnen geliebt hatte, soweit er dazu fähig war. Durch die offene Tür und zwischen den Ritzen in den Bodenbrettern hindurch drangen der Geruch nach gebratenem Geflügel und Wild, dumpfes Stimmengemurmel und trunkenes Gelächter. Geräusche,
die kaum der Gewalt angemessen schienen, die sich gleich hier entfesseln würde.
Corvis fühlte, wie Spalter in seinen Händen erbebte, einem Schlachtross gleich, das sich gegen die Zügel sträubt, und registrierte erst jetzt das mächtige Schwert, auf das sich der Mann in der Tür so lässig lehnte. Als Corvis es das letzte Mal gesehen hatte, war es noch ein Dolch gewesen, aber er erkannte es sofort wieder. Er spürte die Blutgier, die mit dem Stahl verschmolzen war und nur mühsam zurückgehalten wurde, ebenso deutlich wie die glühende, mit Mühe unterdrückte Wut, die der Träger der Waffe ausstrahlte.
Er fragte sich eine Sekunde lang, wie der Baron an diese bösartige Waffe gekommen war, aber er hütete sich, ihm die Genugtuung zu geben und danach zu fragen.
Es war Jassion, der das gespannte Schweigen brach. »Es war wirklich ein jämmerlicher Versuch, uns in die Irre zu führen, Rebaine«, sagte er. »Hast du allen Ernstes geglaubt, wir würden dich und deine Komplizin nicht entdecken, nur weil ihr die Stadt getrennt betretet oder zwei verschiedene Räume anmietet?«
»Offen gestanden«, erwiderte Corvis mit einem gleichgültigen Achselzucken, »haben wir uns mehr Sorgen über irgendeinen cephiranischen Beamten gemacht, der nach uns beiden als Paar sucht. An Euch habe ich dabei überhaupt nicht gedacht.«
Es war zwar ein etwas armseliger Stich gegen den Stolz des Barons, aber an dem Zucken der Lippen seines Gegenübers erkannte Corvis, dass er getroffen hatte.
»Wie dem auch sei«, knurrte Jassion, »in einem derart kleinen Dorf erregt nun mal jeder Neuankömmling Aufmerksamkeit. Wir konnten euch mühelos aufstöbern.« Er machte eine abwertende Handbewegung, und Corvis’ Blick zuckte zu dem grünen Ring auf Jassions Finger.
»Es überrascht mich, dass Ihr immer noch diesen Ring tragt. Soweit ich mich erinnere, hat er Euch während des Schlangenkrieges in ziemlich große Schwierigkeiten gebracht. «
Wenn er gehofft hatte, den Baron weiter aufzustacheln, indem er ihn an den Verdacht erinnerte, den er durch sein Verhalten auf sich gezogen hatte, wurde er enttäuscht.
»Das ist ein Erbstück, Rebaine. Eigentlich sollte es Tyannon gehören, aber soweit ich verstanden habe, hast du ihr stattdessen einen anderen Ring übergestreift.« Er verzog höhnisch die Lippen. »Aber meines Wissens trägt sie deinen Ring nicht mehr. Vielleicht sollte ich tatsächlich überlegen, ob ich ihr meinen gebe.«
Spalters Klinge bewegte sich langsam, als Corvis den Schaft in seinen zitternden Händen drehte. »Das kann ich gerne für Euch erledigen. Soll sie ihn mit oder ohne Euren Finger bekommen?«
»Ah, ich glaube, jetzt ist’s genug, meinst du nicht, Rebaine? «, fragte Jassion, dessen Spott in jedem seiner Worte hörbar war. »Haben wir nicht lange genug wie zänkische Waschweiber geplappert?«
»Das will ich doch sehr hoffen«, erwiderte Corvis. »Ich freue mich schon darauf, Euch wie eine Eiterbeule aufzustechen und zuzusehen, wie Ihr schrumpft.« Er stieß den Tisch aus der Mitte des Zimmers um, so dass er mit einem lauten Poltern an der Wand landete. Der enge Raum war eine armselige Arena, vor allem angesichts der riesigen Waffen, welche die beiden Männer trugen, aber sie waren nun mal hier. »Worauf wartet Ihr, Baron? Seid Ihr zu feige anzugreifen, wenn Kaleb nicht da ist, um Euch die Hand zu halten?«
Dass Corvis einen Namen aussprach, den er gar nicht hätte kennen dürfen, entging Jassion offensichtlich, denn er wurde einfach weggespült von einer Flutwelle aus Wut,
ebenso wie die Befriedigung, die sich der Baron offenbar davon versprochen hatte, die Konfrontation auszukosten. Mit wenigen Schritten durchquerte er den Raum, Kralle hoch erhoben. Er hinterließ eine Spur von Splittern an der Decke über sich. Sein schwitzendes, verzerrtes Gesicht strahlte pure Mordlust aus, und Corvis wusste nicht, ob es das Stampfen seiner Stiefel oder sein nahezu unmenschlicher Schrei war, was die kleine Kammer erzittern ließ.
Dann hatte er Corvis erreicht und … stürmte durch ihn hindurch. Jassion hatte sich gegen einen Aufprall gewappnet, der nicht eintrat, und krachte jetzt mit voller Wucht gegen das Fensterbrett.
Weitere Kostenlose Bücher