Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
blicken, aber niemand hob die Hand.
Cerris nickte einmal kurz und ließ sich einen Dolch von einem der Lakaien neben ihm geben, obwohl er das Schwert des toten Soldaten an der Hüfte trug. Dann blickte er noch einmal zu Irrial hinüber, die zwar ungewöhnlich bleich geworden war, ihm aber ihre Zustimmung signalisierte.
»Macht es«, sagte sie leise.
Cerris umklammerte das Messer fest mit allen Fingern und glitt leise aus der Kammer. Er ging durch den Flur zu dem Raum, in dem die Soldaten untergebracht waren.
Ah, er will Schlafende ermorden. Ganz der tapfere Soldat, an den ich mich erinnere.
Als er zu den anderen zurückkehrte, waren seine Hände voller Blut. Keines der Opfer war dazu gekommen, auch nur einen Laut ausstoßen.
Irrial schüttelte sich. Diese Seite ihres Freundes, so notwendig sie auch sein mochte, flößte ihr eindeutig Unbehagen ein. Sie versammelte sich mit ihren Bediensteten vor einer Haustür, um rasch über den Rasen zu gehen und sich anschließend auf den Straßen zu zerstreuen.
»Denkt daran«, flüsterte Cerris. »Nie mehr als zwei Personen. Und lauft nicht zu schnell, sobald ihr das Anwesen verlassen habt. Benehmt euch ganz gelassen, als hättet ihr nichts zu verbergen.«
Für dich ist das ein Kinderspiel, verhöhnte ihn die Stimme. Immerhin bist du von dem Gefühl durchdrungen, alles Recht der Welt für deine Taten zu haben.
Es war nicht schwieriger, die beiden Wachen zu ermorden, als zuvor die schlafenden Soldaten. Sie kannten Cerris, jedenfalls dachten sie das, außerdem gingen sie davon aus, dass er irgendwann wieder aus dem Haus herauskommen würde. Er näherte sich ihnen lässig, lächelte sie sogar freundlich an, und im nächsten Moment fiel der jüngere Soldat tot zu Boden, während er noch vergeblich die Hände auf seine aufgeschlitzte Kehle presste. Der zweite Mann schnappte bestürzt nach Luft und griff hastig nach seinem Schwert, doch da hatte Cerris ihm bereits den Dolch durch das Kinn bis ins Hirn gerammt.
Mit einem kurzen Blick überprüfte er, ob die Straße leer war, dann winkte er zum Haus hinüber. Irrial und ihre Bediensteten liefen zu ihm.
»Ihr wisst, wo Ihr uns findet?«, flüsterte die Baroness ihm zu, als er sich abwandte.
Er lächelte ihr zu, ohne stehen zu bleiben. »Sorgt dafür, dass Ihr dort wirklich auf mich wartet.«
»Ich werde da sein, Cerris«, flüsterte sie ihm nach, als seine Silhouette im Dunkeln verschwand.
Dann, mit einem Lächeln, das weit zuversichtlicher war als ihr Gemütszustand, schickte sie ihre Bediensteten los und trat auf die Straße hinaus. Der arrogante, störrische und treue Rannert war wie immer an ihrer Seite.
Der alte Familiensitz von Herzog Halmon wirkte irgendwie ein bisschen seltsam, wie er so am südwestlichen Rand des
Adelsviertels stand, genau genommen sogar am Rand der ganzen Stadt. Der erste Herzog von Rahariem war hochmütig und unnahbar gewesen und hatte sein Zuhause absichtlich abseits vom »gemeinen Volk« errichtet. Obwohl die folgende Generation seines Geschlechts in ihrem Verhalten dem Volk gegenüber ein wenig nachgiebiger geworden war, was umgekehrt allerdings genauso galt, hatte sie einen Neubau des Familiensitzes und einen Umzug niemals ernsthaft in Betracht gezogen.
Das Anwesen war riesig, um ein Vielfaches größer als das von Lady Irrial, aber es waren nicht die ausladenden, geschwungenen Rasenflächen oder die von Statuen gesäumten Gärten, welche die Aufmerksamkeit des Spaziergängers erregten. Alle Adeligen von Rahariem lebten in fürstlichen Anwesen, in großen, luxuriösen, prachtvollen Anwesen, aber es blieben dennoch Häuser. Die herzogliche Behausung dagegen war eine stattliche Burg, die noch aus einer Zeit stammte, in der verschiedene Lords und Vasallen um die Vorherrschaft im Reich gekämpft hatten. Der besondere Kontrast zwischen dem modernen und letztlich eher formalen schmiedeeisernen Zaun, der das Anwesen umgab, und der trutzigen Granitfestung in seinem Mittelpunkt verliehen dem Besitz ein surreales, fast märchenhaftes Flair.
Im Moment diente die Festung als Unterkunft für die Offiziere Cephiras, weshalb auch viele strategische Konferenzen und Besprechungen über die Regierung der Stadt dort abgehalten wurden.
Cerris trug noch immer die Uniform des cephiranischen Soldaten, als er sich dem Eingangstor näherte, und unwillkürlich straffte er die Schultern. Ein halbes Dutzend Soldaten standen Wache, und sie alle machten den Eindruck, als würden sie ihre Pflichten weit ernster
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