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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nichts mit Sex zu tun oder mit einer Anziehungskraft in normalem Sinne, die man auf jemanden ausübt. Hier geht es ausschließlich darum, Macht über jemanden zu haben, jemanden zu erniedrigen. Es ist eine Form von Gewalt, das kannst du mir glauben.«
    »Das weiß ich«, sagte er.
    Dennoch wünschte er sich, es wäre ein halbwegs hübsches Wesen gewesen, das ihn auf diese Weise verbal belästigt hatte. Was hatte er nur an sich, das Leute wie dieses Ekel von der Autowaschanlage und jetzt Bond sich gerade ihn aussuchten? Warum? Sendete er Signale aus, die sie glauben ließen, man könne ihn derart mißbrauchen? Er war sicher, bei West oder Hammer würde das niemand wagen. »Ich muß weiter«, sagte West. Brazil war enttäuscht und gereizt zugleich. Eilig beendete er seinen Ölwechsel. Er hatte eine Idee.
    Auch West hatte eine Idee. Sie rief Raines an, ein Unterfangen, das ebenso außergewöhnlich wie überraschend war. West hatte ihn noch nie angerufen, und privat rief sie auch andere Menschen nicht an, außer Brazil. Alle, die sie kannten, wußten und akzeptierten das. Raines hatte an diesem Abend frei und freute sich auf ein gerade erschienenes lustiges Video über Pannen beim Sport, das er sich für das Wochenende besorgt hatte. West hatte Lust auf Pizza. Sie kamen zu dem Schluß, daß sich ihre Interessen eigentlich auf recht angenehme Weise verbinden ließen. Also machte er sich in seinem mächtig aufgemotzten und frisierten 73er Corvette Stingray auf den Weg zu ihr. Der Wagen war schwarz lackiert und mit zusätzlichen Dachscheinwerfern, getöntem Glastop und Rallyestreifen ausgestattet. Meistens hörte West ihn schon von Ferne. Brazil fand, er müsse sich etwas ausdenken, um West zu zeigen, wie dankbar er ihr war, daß sie seine Lebenskrise gelöst hatte. Warum sollten sie beide das nicht feiern? Es war ein großer Tag für sie gewesen. Sie hatte ihm Bond und Webb vom Hals geschafft, und gleichzeitig war das ganze Police Department Goode losgeworden. Eilig fuhr Brazil zum nächsten Laden und kaufte die beste Flasche Wein, die er in der gläsernen Kühlung finden konnte, einen Dry Creek Vineyard 1992 Fume Blanc für neun Dollar und neunundvierzig Cent.
    Es würde sie sicher überraschen und freuen, und vielleicht konnte er ja sogar Niles für eine Weile streicheln. Vielleicht konnte er auch etwas länger bei West bleiben und so etwas mehr über sie erfahren. Vielleicht lud sie ihn zum Fernsehen oder Musikhören ein. Dann würden sie gemeinsam in ihrem Wohnzimmer sitzen, Wein trinken, reden und einander Geschichten aus ihrer Vergangenheit und von ihren Träumen erzählen.
    Überschäumend vor Glück, daß seine Probleme gelöst waren und er eine Freundin wie sie gefunden hatte, fuhr Brazil nach Dilworth. Er dachte an seine Mutter und fragte sich, was sie wohl tun mochte, und freute sich, daß es ihr nicht mehr gelang, ihn so runterzuziehen. Er fühlte sich nicht mehr so, als hinge ihre Entscheidung davon ab, was er tat oder nicht tat.
    In Wests Wohnzimmer brannte kein Licht, aber der Fernseher lief. Sie saß mit Raines auf der Couch. Vor ihnen stand eine dreistöckige Pizza vom Pizza Hut. Raines saß auf der Kante seines Sitzpolsters, trank Coors Light und lachte sich kaputt über sein neues Video. Es war zweifellos das Beste dieser Art, und er wünschte sich nur, West würde es ihn ungestört ansehen lassen. Sie küßte ihn, knabberte an ihm herum und fuhr ihm mit den Fingern durch die dichten schwarzen Locken. Sie ging ihm auf die Nerven, außerdem war so etwas ganz und gar nicht ihre Art.
    »Was, zum Teufel, ist mit dir los?« fragte er geistesabwesend. Er versuchte, an ihr vorbeizuschauen, während er mit derselben Begeisterung in ihrem Haar spielte, mit der Niles mit den Vorderpfoten den Teppich traktierte.
    »Ja! Ja! Schau dir den Wurf an! Da, das Korbbrett! Reiß es ganz runter! Oh, Mist! Sieh dir das an! Himmel! Genau gegen den Pfosten. Oh, Mann.« Raines lehnte sich wieder zurück. Die nächsten fünf Minuten war Eishockey an der Reihe. Der Torwart bekam einen Schläger zwischen die Beine. Der Puck riß zwei Schutzmasken herunter und traf einen Schiedsrichter am Mund. Raines kriegte sich nicht mehr ein. Was gab es Tolleres als Sport und Verletzungen, und nichts gefiel ihm besser, als wenn beides zusammentraf. Bei jedem Unfall stellte er sich vor, daß er mit der Bahre und seinem Erste-Hilfe-Koffer hineilte. Raines der Retter. West knöpfte ihre Bluse auf. Sie warf sich auf ihn, und küßte ihn mit

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