Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
verblüfft, aber dann sprang sie wie ein Panther auf mich los und packte mich an den Haaren. Ich ließ die Bücher fallen und fasste sie an der Taille. Wir wirbelten herum, sie knallte hart gegen
die Schließfächer und zog mich herunter. Schnell sammelte sich eine Menge um uns.
Bevor sie wieder auf mich losgehen konnte, packten Mr McCalester und Mr Scanlon sie. Sie trat um sich und ruderte mit den Armen, aber sie hielten sie zurück und zwangen sie, sich abzuwenden. Sie fluchte und schrie mich an, als sie sie den Flur entlangzerrten.Weitere Lehrer kamen aus den Klassenräumen. Die uniformierten Wachen rannten den Flur entlang, und die Menge wurde aufgefordert, sich zu zerstreuen. Hinter Nicole her, die eine Latte von Flüchen losließ, welche wie schmutzige Blasen durch die Luft trieben und auf meinem Gesicht zerplatzen sollten, wurde ich zum Büro des Schulleiters geführt.
Sie musste sich im Vorraum hinsetzen; mich brachten sie sofort in das Büro des Schulleiters. Ich konnte nur daran denken, dass ich Mama zu allem Überfluss neuen Kummer bereitet hatte.
Unser Direktor Mr Morgan war ein stämmiger Mann, der im College ein hervorragender Footballspieler gewesen war. Es hieß, dass er fast Profi geworden wäre, aber stattdessen entschied er sich, seine Ausbildung fortzusetzen und in der Bildung tätig zu werden, weil er gerne mit jungen Menschen arbeitete. Er hatte eine tiefe, voll tönende Stimme und sang im Kirchenchor. Ich bewunderte ihn, weil er anscheinend immer entschieden sein konnte, wenn er es musste, und den Schülern dennoch freundlich und interessiert gegenübertrat.
Ich wurde mit einem verblüfften und dann enttäuschten Blick begrüßt, als er erfuhr, was passiert war.
»In Ordnung«, sagte er. »Setz dich.«
Er dankte den Lehrern, die daraufhin das Büro verließen.
»Also«, fuhr er fort, nachdem er sich an seinen Schreibtisch gesetzt hatte. »Willst du mir genau erzählen, was passiert ist?«
»Sie haben mich auf dem Flur alle angegriffen«, rief ich. Ich berührte meine Kopfhaut und sah das Blut auf meinen Fingerspitzen.
»Warum?«
»Weil ich ihnen gesagt habe, dass sie die Schuld tragen am Tod meiner Schwester«, sagte ich. Ich hielt seinem stählernen Blick nicht stand. »Ich hasse sie. Ich hasse sie alle, und sie hassen mich. Das haben sie schon immer getan.«
»Warum haben sie dich schon immer gehasst?«
»Sie tun es einfach. Weil ich nicht viel von ihnen halte und weil ich meine Schwester dazu bewegen wollte, nicht mit ihnen herumzuhängen. Sie nennen mich einen Snob«, fügte ich hinzu.
»Glaubtest du, dich auf dem Flur mit ihnen zu prügeln, würde daran etwas ändern?«, fragte er leise.
»Nein, aber ich hatte ihre Gemeinheit satt«, sagte ich. »Ich hatte es satt, mich von ihnen herumschubsen und stoßen und lächerlich machen zu lassen.«
»Du kennst unsere strikten Regeln gegen Gewalt. Aus einer kleinen Kabbelei wird hier leicht eine ernste Angelegenheit. Das kann ich nicht dulden. Ich muss das sehr ernst nehmen«, sagte er.
»Ich weiß. Es tut mir Leid.«
»Wenn jemand dich schikaniert, komm zu mir«, belehrte er mich.
»Ich habe nicht nachgedacht«, gab ich zu, und dann schaute ich zu ihm auf. »Es war keine besonders leichte Zeit für mich und meine Familie.«
»Das verstehe ich, und es tut mir Leid, aber ich muss an die ganze Schule denken. Ich muss dich für drei Tage suspendieren. Deine Mutter oder dein Vater müssen vorbeikommen und mit mir sprechen, bevor du wieder zugelassen wirst.Wenn du zurückkommst, überlegst du es dir hoffentlich gut, bevor du dich wieder prügelst, und wenn du belästigt wirst, kommst du zu mir.«
»Sie würden mich nur noch mehr hassen«, sagte ich, »und alles für mich nur noch schlimmer machen.«
»Darum kümmere ich mich«, erwiderte er. »Ist jemand bei dir zu Hause?«
»Vielleicht Ken«, sagte ich.
»Wer?«
»Ich meine, mein Vater. Er ist arbeitslos.«
»Mrs Dickens wird ihn anrufen.Wenn niemand zu Hause ist, lasse ich dich nach Hause bringen. Ich bin sehr enttäuscht, Rain. Du gehörst doch zu unseren besseren Schülern.«
»Ich habe es ja nicht geplant, Mr Morgan«, entgegnete ich.
Er nickte, auf seinem Gesicht zeigte sich jetzt ein gewisses Mitgefühl und sogar etwas Kummer. Ich wusste, dass es schwierig, wenn nicht gar unmöglich für ihn war, mich so gehen zu lassen und Nicole zu bestrafen. Ihm blieb wirklich keine Wahl.
»Es wird nicht wieder vorkommen«, versprach ich.
Ken war nicht zu Hause, deshalb brachte
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