Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
Mensch.
Sie schaute mich an, als sei die Idee aberwitzig – nicht nur die Idee, dass ein Mann sich um sie kümmerte, sondern der Mann, der sie geschwängert hatte. Vielleicht glaubte sie, das Kind hätte sie vom Heiligen Geist empfangen.
»Du warst doch mit einem Mann zusammen. Nicht wahr? Es war doch nur einer, oder? Du weißt,
wer der Vater ist, nicht wahr?«, bombardierte ich sie schnell mit all meinen Fragen, von denen jede aus einer anderen Furcht geboren war.
»Ich will nicht darüber reden«, sagte sie.
»Was ist mit dem Baby? Willst du das Baby bekommen?«
»Ich muss«, sagte sie.
»Was? Warum?«
»Ich will nicht darüber reden. Bitte, geh.«
»Warum musst du es bekommen? Liegt das an deinen religiösen Überzeugungen?«
»Nein«, sagte sie.
»Warum denn dann?«
»Er zwingt mich dazu.«
»Wer?«
»Bitte, lass mich in Ruhe«, sagte sie und fing wieder an zu weinen.
Sie wandte den Kopf ab, und ich legte die Hand auf ihre Schulter.
»Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte ich.
Sie schaute mich an und wischte sich mit ihren kleinen Fäusten die Tränen aus den Augen.
»Wie kannst du mir helfen? Du bist doch nur ein Waisenkind aus Amerika. Du kannst dir kaum selbst helfen. Sie haben dich hierher geschickt, weil niemand dich dort wollte.«
»Wer hat dir das erzählt?«
»Das ist doch ganz egal«, sagte sie. »Bitte, lass mich in Ruhe. Ich kann nicht noch mehr Ärger brauchen.«
»Es ist doch nicht alles deine Schuld, Mary Margaret«, sagte ich. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder ab. »Du solltest nicht auf die Straße geworfen werden. Sie haben kein Recht dazu, so hochnäsig zu sein. Sie sind auch nicht so rein und edel, wie sie vorgeben.«
Sie hielt den Kopf abgewandt, den Blick gesenkt.
»Ich weiß, was du in dem Cottage getan hast«, sagte ich leise.
Diesmal fuhr ihr Kopf so heftig herum, dass ich befürchtete, er könnte vom Hals springen.
»Was?«
»Ich habe dich und Mr Endfield eines Nachts durch das Fenster gesehen.«
Sie schüttelte den Kopf und versuchte es abzustreiten.
»Ich habe dich gekleidet wie ein kleines Mädchen gesehen und beobachtet, dass er so tat, als wäre er dein Vater.«
»Du darfst niemandem davon erzählen«, keuchte sie, die Hand an der Kehle.
»Keine Sorge, das werde ich nicht. Er hat das Cottage umgestaltet und mich jetzt seine Tochter spielen lassen, nur erwachsen.«
Sie riss die Augen weit auf.
»Tatsächlich?«
»Ja, du siehst also, er hat kein Recht, dich zu feuern und zu verdammen. Er hat viel zu verbergen, dessen er sich schämen muss. Du musst dich gegen ihn zur Wehr setzen. Allerdings ist es kein Kinderspiel, für
die Endfields zu arbeiten«, fügte ich hinzu. »Du solltest jetzt sowieso noch nicht gezwungen werden zu gehen. Man sieht doch noch gar nichts. Und wenn das der Fall ist …«
»Ich kann niemals dorthin zurück«, platzte sie heraus. »Bitte.«
»Warum nicht?«
»Hier ist eine Tasse Tee für euch beide«, sagte ihre Mutter und kam zur Tür herein. Sie hielt uns die Tassen entgegen.
»Mum, ich habe doch nein gesagt«, herrschte Mary Margaret sie an. Ihre Mutter stand da mit ausgestreckten Armen.
Ich ging rasch zu ihr und nahm ihr die Tassen ab.
»Danke«, sagte ich und reichte eine Mary Margaret. »Trink ihn. Nach einer Tasse Tee geht es dir schon viel besser.«
Sie lächelte fast.
»Jetzt hörst du dich wie ein englisches Mädchen an«, sagte sie.
»Es ist ansteckend.«
Sie nickte und holte tief Luft. Dann schaute sie zu ihrer Mutter hoch, die noch dastand und besorgt dreinschaute.
»Geh und setz dich an dein Radio, Mum. Hör auf, dir Sorgen um mich zu machen«, forderte Mary Margaret ihre Mutter auf. »Mir geht es gut. Das schwöre ich.«
»Okay, Schätzchen«, sagte ihre Mutter lächelnd. »Ruf mich, wenn du etwas brauchst.«
»Was glaubt sie, was dir fehlt?«, fragte ich, sobald ihre Mutter aus dem Zimmer verschwunden war.
»Sie glaubt, ich habe meine Tage.«
»Was willst du tun, Mary Margaret?«, fragte ich sie. Sie trank ihren Tee und schüttelte dann den Kopf.
»Es wird schon gut«, sagte sie. »Man kann nichts tun.«
»Warum wird es gut? Du hast eine blinde Mutter, du hast keinen Job, du bist schwanger und unverheiratet. Nach dem, was du gesagt hast, wird der Mann, wer immer er ist, nicht viel tun, um dir zu helfen«, listete ich auf.
»Das wird er«, sagte sie. Sie trank noch einen Schluck Tee und fügte dann hinzu: »Er will das Baby auch.«
»Warum heiratet er dich dann nicht?«, fragte
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