Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
suchen?«
»Nein. Sie hat keine Ahnung, dass ich Sie gefunden habe«, sagte ich. »Sie hatte mir erzählt, wie Sie heißen und dass Sie nach London gegangen waren,
um Shakespeare zu studieren und zu unterrichten. Ein Freund von mir an der Schauspielschule hat es beinahe zum Spiel gemacht, Sie für mich aufzuspüren. Ich wollte das nicht, aber er hat es getan und … es tut mir Leid«, sagte ich. »Ich werde Sie nicht mehr belästigen.« Ich wollte gerade aufstehen, da langte er schnell über den Tisch, um mich aufzuhalten.
»Nein, warten Sie. Bitte«, sagte er.
Ich setzte mich.
»Als Megan schwanger wurde, verschwand sie, und ich war in dem Glauben, dass sie das Kind zur Adoption freigab. Sie sind dieses Kind?«
»Mein Großvater zahlte dafür, dass jemand mich aufnahm, falls es das ist, was Sie meinen«, sagte ich. »Er hieß Ken Arnold, und ich wuchs als seine Tochter auf. Latisha Arnold war die einzige Mutter, die ich bis vor kurzem kannte.Wir wohnten in Washington. Ken Arnold war nie ein besonders guter Vater für mich oder seine eigenen Kinder. Er und sein Sohn Roy hatten ständig Auseinandersetzungen. Roy ist jetzt in der Armee. Latisha starb vor ein paar Monaten an Krebs. Vorher sorgte sie dafür, dass ich versorgt war, indem sie Kontakt mit meiner leiblichen Mutter aufnahm, die arrangierte, dass ich bei meiner Großmutter wohnte.«
Ich erzählte meine Geschichte schnell und holte dann tief Luft.Trotz seiner Haltung hatte es ihm die Sprache verschlagen, und für einen Professor hieß das schon etwas.
»Verstehe. Wow«, meinte er kopfschüttelnd, »was
für ein schwieriges Leben Sie geführt haben. Das ist alles sehr kompliziert.« Er überlegte einen Augenblick. »Megan ist bestimmt verheiratet.«
»Ja. Mit einem bedeutenden Juristen. Sie hat eine Tochter und einen Sohn. Keiner von ihnen außer Großmutter Hudson und ihre andere Tochter Victoria kennt die Wahrheit über mich. Noch«, fügte ich hinzu.
Wieder starrte er mich einfach an.
»Ich wollte Ihre Frau nicht beunruhigen«, fuhr ich fort. »Ich war nur neugierig, aber keine Sorge. Das wird nicht wieder vorkommen.«
Er schüttelte den Kopf.
»Sie sind meine Tochter«, sagte er, als wäre ihm diese Tatsache gerade erst klar geworden. »Mein Gott, das ist …«
»Schrecklich. Ich weiß.«
»Nein, nein. Das wollte ich damit nicht andeuten.« Er nickte und lächelte.
»Tatsache ist, dass ich mir das oft ausgemalt habe. Ich meine, ich wusste, dass Sie auf die Welt kommen würden, und ich fragte mich, was wohl aus Ihnen geworden war.«
»Jeder fragte sich, was aus mir wohl geworden war, aber niemand machte sich die Mühe, sich um irgendetwas zu kümmern«, erwiderte ich trocken. »Außer meiner Adoptivmutter, die, wie sich herausstellte, die Einzige war, die mich je geliebt hat.«
»Ja«, sagte er. »Das ist vermutlich wahr. Was für eine Beziehung haben Sie zu Frances Hudson? Wie
ich mich erinnere, waren die Hudsons doch eine von diesen aristokratischen Südstaatenfamilien.«
»Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihr. Sie hat mich sogar in ihrem Testament bedacht.«
»Wirklich? Erstaunlich. Also«, meinte er. »Dann müssen Sie wohl eine bemerkenswerte junge Dame sein. Wie lange haben Sie vor, in London zu bleiben?«
»Bis zum Ende des Schuljahres«, sagte ich.
»Also …« Er trank seinen Tee, der mittlerweile ziemlich kalt sein musste. »Also... ich muss Sie noch öfter sehen.Wir müssen uns ein bisschen kennen lernen.«
»Warum?«, fragte ich kalt.
»Warum? Warum, einfach weil … wir einander kennen sollten. Schauen Sie«, sagte er und stellte schnell seine Tasse ab. »Sie müssen das verstehen. Megan und ich waren damals rebellische junge Leute. Wir hatten beide kein Verantwortungsgefühl. Wir waren vernarrt in uns, unsere Jugend, unseren Idealismus. Wir wollten an vorderster Front für eine neue Welt kämpfen. Als sie schwanger wurde, war es, als hätte uns jemand kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt und uns aus unserem Traum geweckt, um uns zu zeigen, was wir wirklich taten.
Ich bot an, sie zu heiraten, aber ihre Eltern waren am Boden zerstört, besonders ihr Vater, und sie brachten sie weg. Eines Abends verschwand sie vom Campus, und ich hörte nur noch einmal hinterher von ihr. Da erfuhr ich, dass Sie geboren worden und zur Adoption freigegeben worden waren.«
»Verkauft worden waren«, erinnerte ich ihn.
»Ja. Das war wohl genau die Art, wie Everett Hudson so etwas erledigte. Den Fehler in den Büchern einfach ausradieren
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