Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
hart auf die Schultern fallen. Ich schlug mit der Seite des Kopfes auf einem kleinen Stein auf und spürte, wie das warme Blut über die Kopfhaut tröpfelte, aber ich rollte immer weiter. Der blaue Himmel und die Wolken schienen sich mit mir zu drehen. Zweimal hatte ich das Gefühl, als bliebe mir durch den Aufprall die Luft weg, und keuchte. Schließlich blieb ich auf dem Bauch liegen und sah meinen Rollstuhl nicht mehr weit entfernt.
Ich legte den Kopf auf die Arme und ruhte mich aus. Da spürte ich das Stechen der Schnitte und Prellungen von den Hüften, die Arme hoch bis zum Kopf und dem rechten Ohr. Bestimmt sah ich
grauenhaft aus. Meine Kleidung war völlig verdreckt und meine Bluse war am rechten Ellenbogen aufgerissen. Ich spürte einen Kratzer dort und sah das Blut.
Trotzdem war ich so weit gekommen. Jetzt war keine Zeit aufzuhören und zu jammern. Ich stieß mich hoch und kämpfte mich wieder in eine sitzende Position, damit ich die Arme hinter mir aufstützen und mich weiterziehen konnte, bis ich den Rollstuhl erreicht hatte. Ich war fast bei ihm, als ich ein Auto hörte und den Kopf drehte, um es kommen zu sehen. Ich rief aus Angst, der Fahrer hätte mich nicht gesehen, als er um die Kurve bog. Er hielt nur wenige Zentimeter von mir entfernt an. Die Stoßstange war so nahe, dass ich auf sie treffen würde, wenn ich mich zurücklehnte.
Ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde, und schaute mich hoffnungsvoll um, aber in dem Augenblick, als ich die Schuhe und die dünnen Beine sah, senkte ich den Kopf wie eine Flagge auf Halbmast. Meine Tante stand vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Was glaubst du eigentlich, was du hier tust?«, herrschte sie mich an. »Was für eine Art Wahnsinn ist das denn? Bist du jetzt völlig verrückt geworden? Schau dich an. Schau, wie du dich zugerichtet hast.«
Unter Tränen schrie ich sie an: »Das ist doch alles deine Schuld. Warum hast du die Rampe entfernen lassen? Wo sind meine Autoschlüssel? Warum
hast du sie nicht auf dem Küchentisch gelassen wie versprochen?«
»Jetzt bringen wir dich ins Haus und machen dich sauber«, sagte sie. »Wie hast du das bloß gemacht? Bist du aus dem Rollstuhl gefallen? Warum hast du nicht gewartet, bis ich nach Hause komme? Warum war es so wichtig, jetzt herumzufahren?«
Sie holte den Rollstuhl und stellte ihn neben mich. Dann beugte sie sich vor, um die Arme unter meine zu legen.
»Lass mich in Ruhe!«, rief ich. »Das ist deine Schuld.«
»Hör auf, dich wie eine Närrin zu benehmen, und hilf mit. Ich weiß, dass du das rechte Bein ein bisschen bewegen kannst, also hilf mir, dir zu helfen«, befahl sie.
Mir blieb keine andere Wahl, als zu tun, was sie verlangte, und irgendwie brachte sie die Kraft auf, mich hoch genug zu heben, um mich in den Rollstuhl plumpsen zu lassen. Ich fiel nach hinten, meine Arme waren so müde und schwach, dass sie an den Seiten herunterbaumelten.
»Entspann dich«, sagte sie und mühte sich damit ab, mich die Auffahrt entlangzuschieben.
»Warum hast du die Rampe entfernen lassen?«, fragte ich schwach.
»Wir verkaufen das Haus doch, schon vergessen? Wie könnte ich Immobilienmakler mögliche Kaufinteressenten hierher bringen lassen, solange
diese Rampe hier ist? Das würde sie abschrecken. Leute müssen ein gutes Gefühl in Bezug auf ein Haus haben, bevor sie auch nur in Erwägung ziehen, es zu kaufen.«
»Konntest du nicht wenigstens warten, bis ich weg bin? Wie sollte ich denn hinunterkommen?«
»Wer hätte denn gedacht, dass du versuchen würdest, ohne Hilfe hinauszugehen? Du musstest doch nicht alleine versuchen zu gehen, du närrisches Ding. Immer bist du so impulsiv.«
»Wovon redest du eigentlich? Du kennst mich doch kaum«, sagte ich kopfschüttelnd. »Du hättest die Rampe nicht entfernen lassen sollen«, beharrte ich.
Ich war überrascht, wie stark sie war für jemanden, der so dünn war. Irgendwie schaffte sie es, den Stuhl umzudrehen und ihn Schritt für Schritt hochzuziehen, bis wir wieder in der Säulenvorhalle waren.
»Da«, sagte sie und holte tief Luft. »Mit deinem Unsinn hast du mich fast völlig erschöpft. Jetzt müssen wir dich hineinbringen und säubern. Außerdem müssen wir deine Wunden desinfizieren.«
Sie drehte den Rollstuhl herum und fuhr mich ins Haus zurück. Ich ließ das Kinn auf die Brust fallen. Mein tapferer und entschlossener Versuch zu fliehen war fehlgeschlagen, so heldenhaft er auch war. Dabei war ich nur wenige Augenblicke davon entfernt
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