Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
enthielt einen Handzettel, in dem die nächste Produktion der Burbage School angekündigt wurde. Natürlich wusste er nicht, dass ich schwer verletzt war, aber es war schmerzlich, dieses Flugblatt zu sehen und zu wissen, dass ich niemals auf diese Schule zurückkehren würde.
Eines Nachmittags, als ich mich wieder hingelegt hatte und ausruhte, kam Jake, um mir einen Besucher anzukündigen.
»Victoria kommt morgen her«, sagte er. »Wenn Sie möchten, bleibe ich in der Nähe, während sie zu Besuch ist.«
»Schon gut, Jake. Sie wird mir hier schon keine Angst einjagen. Das kann sie jetzt nicht mehr.«
Er lächelte, wirkte aber immer noch so müde.
»Jake, Sie vernachlässigen sich«, sagte ich. »Großmutter Hudson wäre außer sich.«
Er nickte.
»Mir geht es gut.«
»Ich komme bald hier raus und dann brauche ich Ihre Hilfe«, sagte ich.
Daraufhin hob er den Kopf, in seine Augen trat Leben.
»Ich tue natürlich alles, was Sie brauchen«, sagte er.
»Ich brauche, dass es Ihnen gut geht«, sagte ich. »Ein Invalide pro Grundstück ist alles, was uns gestattet ist. Ich habe die Gemeindeordnung gelesen.«
Er nickte und lachte lautlos.
»Okay, Prinzessin«, sagte er. »Ich werfe mich in Schale.«
»Gut.«
Nachdem er gegangen war, hatte ich Zeit, mir ihren Besuch auszumalen und zu überlegen, was meine Tante Victoria damit beabsichtigte. Meiner Meinung nach gab es keinen Zweifel, dass sie glaubte, die Oberhand zu haben. Bestimmt hatte sie mit Grant ein Komplott gegen mich geschmiedet, aber ich war neugierig auf sie alle, besonders auf meine Mutter, obwohl ich mir wünschte, ich könnte sie für immer und ewig aus meinem Kopf verbannen.
Gerade als ich nach einer Therapieeinheit in mein Zimmer zurückkehrte, tauchte Victoria auf. Ich war nicht im Bett, sondern saß im Rollstuhl und hatte gerade den Fernseher eingeschaltet, um mir weiter die Seifenoper anzuschauen, die ich verfolgte. Ich hörte das vertraute Klappern ihrer Absätze auf dem Boden, und dann stand sie da, klopfte an die Tür, als hätte jemand es gewagt, ihr zu verbieten zu kommen. Einen Augenblick lang war sie verwirrt. Ich war nicht im Bett. Dann sah sie mich und richtete sich schnell zu ihrer üblichen Bügelbrett-Haltung auf.
»Nun, wie geht es dir?«, fragte sie.
»Wie sehe ich denn aus?«, entgegnete ich.
Sie hielt die Handtasche unter dem rechten Arm umklammert und presste sie wie eine Pistole im Halfter gegen die Hüfte. Bekleidet wie üblich mit
ihrem grauen Kostüm und einer Bluse und dazu diese Schuhe mit den hohen Absätzen, wirkte sie so energisch und geschäftsmäßig wie eh und je. Ich sah jedoch, dass sie sich in der Krankenhausumgebung nicht wohl fühlte. Ihre Blicke schweiften umher wie die eines verängstigten Huhns. Sie hatte eine Spur Lippenstift und einen Hauch Rouge aufgelegt.
»Du siehst bemerkenswert gut aus«, erwiderte sie. Sie erspähte den Stuhl und ging zu ihm. Einen Augenblick lang schauten wir einander nur an. »Als Teenager war ich vorübergehend vom Reiten fasziniert. Ich fing an, Unterricht zu nehmen, aber ich war nie anmutig oder entspannt genug und hinterher tat es mir immer hier oder da weh«, sagte sie und deutete auf ihren verlängerten Rücken und ihre Schenkel.
»Megan konnte das sehr gut. Mein Vater kaufte ihr ein Pferd. Einen wundervollen Araber. Sein Unterhalt kostete ein Vermögen, nur damit sie gelegentlich ausreiten konnte. Bald wurde ihr das natürlich langweilig, und schließlich brachte mein Vater die Vernunft auf, es zu verkaufen. Es dauerte Monate, bevor Megan überhaupt nach ihrem Pferd fragte. Hat sie dir das nie erzählt?«
»Es fand nie ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter statt, das lang genug gewesen wäre für irgend so etwas«, erwiderte ich trocken.
»Das kann ich mir denken. Weißt du, dich zurückzunehmen, zu unserer Mutter zu bringen und
dich zu vergessen ist einfach typisch für sie. Sie kann sich immer nur kurz auf etwas konzentrieren, ob es sich nun um neue Kleider, Kinder, Reiten, Golf oder sonst etwas handelt, sogar um ihren eigenen Ehemann.«
»Wie geht es ihr?«, fragte ich.
»Sie ist im Augenblick ebenso invalide wie du. Sie verlässt ihr Zimmer, aber sie ist noch nicht annähernd wieder so auf den Beinen wie früher. Gesellschaftlich und politisch ist sie für Grant absolut nutzlos. Sie veranstalten keinerlei Dinnerpartys, und die meisten Veranstaltungen muss er alleine besuchen. Zufälligerweise war ich dort, um ihn bei einer Gelegenheit zu begleiten«,
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