Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
ist wie Zauberei. Ich weiß, dass sich das albern anhört, aber vielleicht werdet ihr das ja auch erleben. Ist deine Mutter eine gute Köchin?«
»Sie kocht nicht mehr allzu oft«, sagte ich. »Wir haben eine Köchin, die schon ewig bei uns ist, und die ist eine wunderbare Köchin.«
»Oh«, sagte er und nickte nachdenklich.
Harley tauchte auf, das Haar ordentlich gebürstet, das Gesicht glatt rasiert.
»Du siehst wirklich gut aus, Sohn«, sagte sein Großvater. Er wandte sich an mich. »Und trotz deines schlimmen Knöchels, Summer, siehst du auch sehr nett aus.«
»Jetzt wollen wir essen«, rief Harley und klatschte in die Hände. Sein Großvater lachte. Sie sahen mich an und warteten wie Gentlemen darauf, dass ich vorging. Zögernd stieg ich vor ihnen die Treppe hinunter. Dabei hörte ich ihrem Geplauder über die Arbeit, die sie heute geleistet hatten, zu.
Beim Abendessen drehte sich ihre Unterhaltung um die anderen Jobs, die sein Großvater in seinem Leben schon gehabt hatte. Ich hörte aufmerksam zu und wartete auf etwas, das Harley dazu bringen würde, ihn zu fragen, wer er wirklich war. Nach dem, was er erzählte, schien er auf der ganzen Welt gearbeitet zu haben, vom Kellner bis zum Elektriker alles gemacht zu haben. Wann hätte er Gelegenheit haben sollen, Tante Glenda kennen zu lernen? Ich hoffte, Harley würde sich die gleiche Frage stellen.
»Du hast so viel Interessantes getan«, staunte Harley stattdessen.
»Wenn du hungrig bist, hast du auch Ideen«, erklärte sein Großvater. »Du lernst zu überleben, und das, mein
Sohn, ist die beste Erziehung. Sie bereitet dich auf jede Härte und jede Enttäuschung im Leben vor. Die Kinder heute haben es zu leicht. Alles wird für sie getan«, sagte er und warf mir einen Blick zu. »Eltern glauben, wenn sie ihnen mehr geben, lieben sie sie mehr und werden bessere Menschen. Glaub das nicht. Etwas, das du mit deinem eigenen Schweiß und deiner Arbeit verdienst, hat größeren Wert für dich.«
»Das glaube ich«, sagte Harley. Er sah mich an und lächelte. »Keiner von uns ist verwöhnt, falls du das meinst.«
»Nein, nein. Ein Blick sagt mir, dass ihr beide Mumm habt, und der resultiert aus einem gesunden Selbstvertrauen. Ist das nicht die köstlichste Mahlzeit, die ihr jemals gegessen habt?«, meinte er.
»Dieses Essen ist so anders. Ich entdecke ständig neue Aromen«, sagte Harley. »Stimmt’s, Summer?«
»Anders«, bestätigte ich.
Suze hatte mich während der ganzen Mahlzeit angestarrt. Das machte mich sehr nervös. Ich versuchte ihrem Blick auszuweichen, was ihren Verdacht nur bestätigte. Harleys Großvater schien das aufzufallen.
»Vermutlich hat Suze dir heute ihr heiliges Zimmer gezeigt, was, Summer?«, fragte er.
Ich schaute Harley an.
»Ja, das hat sie.«
»Mir hat sie es auch heute Morgen gezeigt«, meinte Harley und zwinkerte mir zu.
»Ihr Glauben mag euch seltsam erscheinen, aber unser
Glauben würde vermutlich jemandem aus ihrem Land genauso fremd erscheinen. Wie man etwas sieht, hängt immer vom Standpunkt ab«, erklärte er. »Das habe ich gelernt, als ich auf See war.«
Harley lächelte ihn an. Er war völlig fasziniert, ja verhext von seinem Großvater, und jedes Wort aus dessen Mund machte es schwieriger für ihn, wenn er die Wahrheit erfuhr. Fast hätte ich es am liebsten geheim gehalten und wäre einfach abgereist in der Hoffnung, er würde seine eigenen Entdeckungen machen und lernen, sie zu akzeptieren. Es verwirrte mich. Ich wusste nicht, was ich eigentlich tun sollte.
Als ich anbot, beim Abräumen zu helfen, bestand sein Großvater darauf, dass ich ins Wohnzimmer ging und mich ausruhte.
»Sobald ich Suze geholfen habe, fahre ich sie nach Hurleyville, damit sie telefonieren kann«, versprach er.
»Toll«, sagte Harley. »Danke.« Er schaute mich an, drehte sich dann wieder zu ihm um und sagte: »Dad.«
Sein Großvater strahlte. Ich musste schnell den Blick abwenden.
»Du musst mich nicht helfen«, sagte Suze. Sie starrte mich an. »Du bringen sie zum Telefon.«
»Okay. Ihr habt es gehört.« Er beugte sich zu uns vor. »Mit einer Frau, die Voodoo praktiziert und einen mit einem bösen Fluch belegen kann, treibt man keine Späße«, flüsterte er mit einem spitzbübischen Lächeln.
Harley lachte, aber ich spürte, dass ich nicht schlucken konnte, weil mir ein Kloß im Hals saß. Ich hatte auf ein
paar vertrauliche Worte mit Harley gehofft, bevor wir fuhren, aber sein Großvater war ständig bei uns, half mir
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