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Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Titel: Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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wieder schlecht.
    »Harley?«
    Er reagierte nicht, deshalb drehte ich mich um und schaute ihn an. Er atmete gleichmäßig und hatte die Augen fest geschlossen. Ich dachte daran, Mommy anzurufen, aber wenn sie nun anfing zu weinen? Was würde ich dann tun?
    Ich stand auf und ging zum Wasser. Das gurgelnde Geräusch wirkte hypnotisierend, und das Wasser selbst war so klar, frisch und kühl, dass mir danach war hineinzuwaten, mich in seiner natürlichen Güte zu taufen und die Finsternis fortzuwaschen, die sich in mir festgesetzt hatte, seit Duncan Fields mich in seinem Auto in die Falle gelockt hatte.
    Vielleicht war das ein weiterer Grund, warum ich diese Fahrt mit Harley unternahm. Vielleicht lief ich
ebenfalls weg und ließ das unschuldige und verwundete Mädchen zurück, das jeden Tag in Selbstmitleid badete. Ich wusste, dass jeder versuchte, mir zu helfen, damit ich mich besser fühlte, aber es war unmöglich, Daddy oder Mommy oder Mrs Geary in die Augen zu schauen und nicht das Mitgefühl und den Kummer zu sehen, den sie für mich empfanden. Es war, als wäre ich mit einem Mal eine Frau geworden, für immer befleckt. Ironischerweise hatte nur Tante Alison mich so behandelt, als hätte ich nur einen kleinen Kratzer abbekommen. Aber das half mir auch nicht weiter.
    Vor Jahren behandelten Männer und Frauen Sex und Liebe wie zwei Hälften der gleichen wunderbaren Erfahrung, der wichtigsten Erfahrung im Leben, vielleicht der eigentliche Grund des Daseins. Irgendwie war Sex jedoch für Leute wie Tante Alison und Duncan Fields zu einem Spiel geworden, einem Spielzeug, einem Vergnügen, das man ganz nach Wunsch besitzen und wegwerfen konnte. Menschen benutzten andere Menschen nur, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, und Liebe, Liebe wurde vergessen oder für etwas Vorübergehendes gehalten, das es vielleicht gab oder auch nicht. Warum daran denken, warum sich anstrengen, um sie zu erreichen oder zu finden? Zunächst einmal erforderte das persönliche Opfer, und es war notwendig, dass man einen anderen mehr liebte als sich selbst. Zweitens waren viel zu viel Vertrauen und Risiko erforderlich. Man musste jemandem seine Seele enthüllen.

    Die Duncan Fields dieser Welt hielten sich bestimmt für sehr schlau. Sie durchstreiften jeden Tag auf der Suche nach Eroberungen, bauten sich ein Bankkonto voller befriedigter Lust auf und glaubten, das mache sie reich, zu etwas Besonderem, ja begehrenswert, aber bestimmt wachten sie früher oder später auf und entdeckten, dass sie allein waren und ihr Leben nichts Besonderes gewesen war – ein Traum, der vorbeifloss wie dieses Wasser.
    Ich schaute nach vorne, dorthin, wo der Fluss eine Biegung machte und verschwand, und fragte mich, wo er endete.Wartete dort ein wunderschöner See? Musste er zuerst über Wasserfälle fließen? Spaltete er sich auf in immer kleinere Flüsschen, die schließlich versandeten? Er ließ sich hier nicht eindämmen und aufhalten. Er fand einen Weg um jedes Hindernis herum und folgte seinem Schicksal.
    Das musste ich auch tun und Harley ebenfalls.
    Irgendwie war ich mir tief im Inneren sicher, dass Mommy mich verstand.
    »Hey«, sagte Harley, als er neben mich trat. »Warum hast du mich schlafen lassen? Wenn dieses nervige Eichhörnchen mir nicht so nahe gekommen wäre …«
    »Ich dachte, du brauchst die Ruhe«, sagte ich.
    »Ja, jetzt habe ich aber genug. Komm jetzt. Wir brechen besser auf«, sagte er.
    Er warf einen Blick auf das Wasser.
    »Es ist so schön und friedlich«, sagte ich.
    »Ich weiß.Vielleicht erwartet uns so etwas«, meinte er lächelnd.

    Ich folgte ihm zurück zum Motorrad.Wir setzten unsere Helme auf, und wenige Augenblicke später sausten wir wieder über den Highway.
    Keiner von uns versuchte zu reden, der Wind pfiff uns um die Ohren, die Welt um uns herum flog so schnell vorüber, dass sie an den Fluss erinnerte, den wir gerade verlassen hatten.
    Eine Stunde später fuhr ein Streifenwagen der Staatspolizei auf den Highway und setzte sich auf unsere Fährte. Harley sah ihn im Rückspiegel. Ich spürte, wie sich sein Körper anspannte.
    »Schau nicht dauernd zu ihm zurück«, rief er. »Ich nehme die nächste Abfahrt.«
    Das tat er, und ich hielt die Luft an. Würde der Polizist uns folgen? Hatten Daddy und Onkel Roy getan, was Harley vermutete, und die Polizei gerufen? Wie enttäuschend würde das für uns sein, umkehren zu müssen, bevor Harley seinen leiblichen Vater wenigstens kennen gelernt hatte. Ich schaute mich nicht

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