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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ein großes Schlafzimmer, das dieselbe Aussicht auf Himmel und Meer bot wie das Büro im unteren Stockwerk und ein eigenes, in zarten Blautönen gekacheltes Badezimmer besaß.
    Auf der anderen Seite des Flurs lag noch ein weitläufiges Schlafzimmer. Ein Fensterflügel stand offen, so daß aus dem Garten Jasminduft ins Innere drang. Genüßlich sog Leslie ihn ein, bevor ihr auffiel, daß es derselbe Geruch war, der in der Garage so muffig gewirkt hatte.
    Der Makler setzte eine finstere Miene auf. »Wieso steht das Fenster schon wieder offen? Sind diese verdammten Kinder hier herumgeklettert?« Er schloß das Fenster und betrachtete den Riegel. »Es ist nicht das erste Mal, daß ich hier offene Fenster vorfinde, wissen Sie.«
    Seine Bemerkung erinnerte Leslie daran, ein paar Fragen zu stellen, die sie unter dem beinahe zauberischen Einfluß des Hauses vergessen hatte. »Sind die Straßen hier sicher? Oder muß ich mit halbwüchsigen Rabauken und Gangs rechnen?«
    »Aber nein. Wenn hier jemand herumgeklettert ist, dann waren es Kinder. Größere Schäden haben wir hier nie entdeckt. Sie haben sicher bemerkt, daß sämtliche Fenster im Erdgeschoß vergittert sind, sogar das Atelier in der Garage. Stammt noch aus der Zeit, als sich Zigeuner und Drogensüchtige in Haight herumtrieben. Lauschen Sie mal – hier oben ist es so ruhig, daß man kaum glaubt, in der Stadt zu sein.«
    Tatsächlich war es so still, daß Leslie das Summen der Bienen und anderer Insekten in dem von köstlichen Düften erfüllten Garten hörte. In dem Mietshaus, das sie momentan bewohnte, dröhnte vierundzwanzig Stunden am Tag der Verkehrslärm einer Straße in der Nähe. Doch hierher drang nur das ferne Raunen der Stadt. Ja, sie würde dieses Haus kaufen, und wenn sie ihren letzten Cent dafür hinlegen mußte. Entschlossen richtete sie sich darauf ein, den ganzen Nachmittag feilschen zu müssen, um die Kaufsumme auf eine bezahlbare Höhe herunterzuhandeln, und fragte nach dem Preis.
    Ungläubig vernahm Leslie die Antwort. Der Kaufpreis lag sogar um ein paar tausend Dollar niedriger als die Summe, die sie für das kleine schmucke Haus in Russian Hill ausgegeben hätte – und dieses hier war doppelt so groß und besaß einen Garten. Sicher, die Adresse war nicht so vornehm, und in den Jahren, als Haight Ashbury zum Slumviertel verkam, waren die Grundstückspreise gesunken, aber trotzdem …
    »Ist das Haus von Termiten oder Trockenfäule befallen? Und muß ich noch mal fünfzigtausend Dollar ausgeben, um irgendwelche Bauvorschriften zu erfüllen?«
    »Aber nein. Ich habe das Gutachten eines Architekten, das Sie in meinem Büro gern einsehen können. Wenn Sie wollen, können Sie schon morgen hier einziehen.«
    »Und wo ist der Haken?« fragte Leslie skeptisch.
    »Für Sie gibt es keinen, Dr. Barnes. Die Leute, die dieses Haus geerbt haben, möchten es so schnell wie möglich veräußern. Tatsache ist, daß das Objekt im vergangenen Jahr schon dreimal verkauft wurde, aber jedesmal ist das Geschäft geplatzt. Die alte Dame, der dieses Haus gehörte, ist plötzlich verstorben, nachdem sie fünfzig Jahre hier gewohnt hatte. Sie war kinderlos; deshalb fiel das Haus an entfernte Verwandte in Nebraska oder South Dakota. Sie haben es zum Verkauf angeboten. Aber dann kam es zu einer Reihe unglücklicher Vorfälle, die den Preis gedrückt haben – wahrscheinlich sind die Erben inzwischen überzeugt, daß das Haus verhext ist. Zuerst hat ein älteres Ehepaar es gekauft, aber genau an dem Tag, an dem die Besitzurkunde hinterlegt werden sollte, ist der alte Herr tot umgefallen, und die Witwe mochte nicht allein hier wohnen. Dann ist eine junge Familie eingezogen, aber einen Monat später …« Er zögerte. »Nun ja, die Mutter … sie hat Selbstmord begangen. Daraufhin ist der Mann mit den Kindern ausgezogen und hat die Anzahlung und die erste Hypothekenrate verfallen lassen. Und die Eigentümer standen wieder mit dem Haus da.«
    Irgendwie war Leslie sicher, daß die Frau sich in dem feuchten Atelier umgebracht hatte, dessen gespenstische Atmosphäre alles übertraf, was ihr bisher begegnet war. Doch sie ermahnte sich zornig, nicht abergläubisch zu sein. »Sie sprachen von drei Zwischenfällen …«
    »Die letzte Käuferin hat es sich einfach anders überlegt. Sie hat hier einen Monat gewohnt; dann hat sie das gleiche getan wie ihr Vorgänger – sie hat ihre Anzahlung in den Sand gesetzt und ist von der Bildfläche verschwunden. Sie haben die Hinterlassenschaft

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