Die Hüter der Unterwelt - Die Seele der Schlange (German Edition)
die Ferne gerichtet.
“Luhiell … er sagte, dass nichts und niemand auf dieser Welt einen Höllenfürsten töten könne”, begann sie schließlich. Ihr sprunghaftes Wesen verwunderte Viper kaum noch. “Und doch hast du ihn besiegt. Wie?”
“Stell einem Dämon eine Frage, die er nicht beantworten kann. Als Hüter der Zeit ist es uns vorherbestimmt, jede Wahrheit und jede Antwort zu kennen. Ich gab dem Raben ein unlösbares Rätsel auf und die Strafe für seine Unwissenheit war eine Gunst an mich.”
“Eine Gunst?”
“Ja. Etwas, das er mir zu gewähren gezwungen ist. Es kann alles sein. Reichtum, Weisheit, ewiges Leben, Potenz, Schönheit, die Hand seiner Liebsten. oder eine grauenhafte Statur im Garten. Der Dämon kann dir seine Gunst erst dann wieder entziehen, wenn er die Antwort auf deine Frage findet.”
Catharina verengte fasziniert die Augen und verflocht die Hände unter ihrem Kinn ineinander. “Für Luhiell bedeutet das demnach … niemals.”
Unwillkürlich fuhr Viper mit den Nägeln über seinen Ledergürtel.
Seine kleine Sünde zuckte bei dem kaum hörbaren Geräusch zusammen.
“Bereust du es?”, fragte ihre geliebte Stimme in seiner Seele.
“Nein. Ganz gleich, ob du mir glauben magst, es gibt durchaus etwas, das ich bereue. Der Bann des Raben ist es jedoch nicht. Denn in diesem Moment hätte ich ihn auch in der Luft zerrissen, wenn es mir möglich gewesen wäre.”
Diesmal sank ihre Stimme zu einem Flüstern herab, so als sollten selbst die stummen Bäume ihre Worte nicht vernehmen.
“So ist es keine Reue, sondern Bedauern. Nicht für den Raben, sondern für Luhiell.”
Es war keine Frage. Bedurfte keiner Antwort. Doch wollte die Schlange ihre Zähne fletschen im Zorn darüber, wie tief dieses Mädchen in sein Herz zu sehen vermochte.
"Wie lächerlich!", erkannte er mit spöttischer Streitlust. "Da du dein Herz längst an sie verloren hast."
“Du wirst sicher erkannt haben, dass mein werter Bruder niemand ist, dem man sein Mitgefühl schenkt. Nie wieder. Als ich deinen blutenden Hengst auf der Erde sah und dich fauchend in den Armen des Raben, da glaubte ich, niemand könnte diesen Hass empfinden … Bis ich dir in die Augen sah, Liebes.”
Schatten und Gewitterwolken verdüsterten ihre helle Irden.
“Deutlicher vermagst du mir nicht zeigen, was ich nun bin, Viper. Auch wenn ich mich kaum an den Kampf erinnern kann. Nur dieses Feuer, meinen hasserfüllten Zorn und deine Augen.” Gedankenverloren folgte ihr Blick einem Bussard, der in lichtblauer Unendlichkeit seine Kreise zog.
“Und mein zweites Selbst ist so viel mehr als ich einst glaubte. Für meine Stimme müsste mich jeder züchtige Mensch übers Knie legen, ich vergesse im Kampfesrausch Schmerz und Vernunft, ich könnte mich zu diesem Bussard in die Lüfte erheben …”
“… und du lebst ewig”, beendete Viper ihren Satz. Taktgefühl war nie seine Tugend gewesen und er wusste es.
Sie fuhr zusammen, als habe er ihr eine Klinge in den Rücken gestochen. Ihr Leib verlor jegliche Anspannung, erbebte vor Unglauben und ihre Füße glitte auf dem spiegelglatten Stein aus.
“Verdammt!”, fluchte er ungehalten und jagte zwischen zwei Herzschläge unter das Felsmassiv. Catharinas leichter, warmer Körper landete zitternd in seinen Armen.
Augenblicklich stieß sie ihm die Hände vor die Brust und taumelte zurück, obwohl ihre Beine sie kaum zu tragen schienen.
Doch als er ihren Bewegungen wohlweislich folgte, fletschte sie kampfeslustig die Zähne. “Du lügst! Ich wurde vor siebzehn Wintern geboren, ich lebe wie ein Mensch, ich blute und mein Körper altert mit jedem Jahr!”
“Nein, kleine Sünde.” Viper trat ihr noch einen Schritt entgegen und sie wich zurück wie eine angespannte Raubkatze. “ Du magst zwar sterben können, doch die Zeit, das Alter, wird dich nie berühren. Mit deiner ersten Verwandlung ist auch Liliths Erbe in dir erwacht, ihre Kräfte und die Ewigkeit."
“Ich bin nicht sie”, stieß Catharina störrisch hervor. “Und mein Vater ist ein Mensch!”
Sein Blick versenkte sich dunkel und eindringlich in dem ihren und seine Stimme klang nach einer zärtlichen Liebkosung. “Du bist eine reinblütige Dämonin.”
Verzeih mir, kleine Sünde.
*
Reinblütig. Reinblütig, reinblütig, reinblütig … Die Wahrheit war das zwingende Echo in ihrer Seele, kalt und grausam wie ein Peitschenhieb.
Die Worte ihres Vaters erklangen hinter ihren pochenden Schläfen.
Lacrima … Hat
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