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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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stützen. Die drei standen stumm da und starrten hinunter.
    »O Götter! Ist das alles?«
    Acton wandte sich ihr zu. » Alles ?«
    Sie warf den Kopf hoch. Wieder eine Bewegung, die Bramble sofort hasste. »Oh, ich weiß, er zerstört alles, er merzt unser ganzes Ackerland aus, wir werden alle verhungern …« In ihrer Stimme schwang ein Schluchzen mit, und Bramble erkannte, dass sie ernsthaft erschüttert war. »Aber wir können nichts daran ändern. Ich dachte, wir würden uns einen schönen Tag machen, bloß dieses eine Mal, bloß einen Tag, an dem ich nicht über unser Verhängnis nachdenken muss.«
    Sie trat einen Schritt vor, sank in die Knie und fing an zu weinen. Aber zuvor hatte Bramble gesehen, was in dem nächsten Tal war. Oder genauer gesagt, was das nächste Tal ausfüllte.
    Eis.
    Der Eiskönig. Es war gar kein Mensch, sondern ein Fluss aus Eis.

    Er füllte das Tal und bedeckte auch die dahinter liegenden Hügel. Es gab weit entfernt eine Reihe von aufragenden Gipfeln, aber alle Täler dazwischen lagen unter dicken Eisschichten. So weit sie sehen konnten, erstreckte sich die Eisfläche weiß und blau und tiefschwarz, wo Spalten die Oberfläche durchbrachen. Die Abbruchkante war ein gestreifter Vorsprung aus Blau, Dunkelblau und Weiß. Die Fläche war zu groß, als dass man sie hätte begreifen können, wunderschön und dennoch Furcht einflößend.
    Plötzlich stellte Bramble fest, dass sie das Knirschen und Kreischen von brechendem Eis vernehmen konnte, von Felsen, die mit Macht aneinandergerieben wurden. Der Fluss bewegte sich. Auch Acton hörte es. Er hockte sich neben das Mädchen.
    »Wie schnell bewegt es sich?«, fragte er sanft.
    Sie zuckte mit den Schultern, nach wie vor weinend.
    »Wie lange ist es schon in diesem Tal?«, fragte Baluch, ohne den Blick von dem Eis abzuwenden.
    »Seit drei Tagen nach dem Springtreetanz«, sagte das Mädchen. Es schniefte und wischte sich die Nase an seinem Ärmel ab.
    »Heute Abend ist Sommersonnenwende«, sagte Baluch. »Das bedeutet, dass es das Tal in weniger als zwei Monaten verschlungen hat.«
    »Er verschlingt alles«, sagte das Mädchen. »Meine Oma sagt, es ist eine Strafe, die uns der Weise geschickt hat, weil wir nicht genug geopfert haben.«
    »Und was glaubst du?«
    Sie erhob sich so schwerfällig, als wäre sie so alt wie ihre Großmutter.
    »Ich glaube, das Weltende ist gekommen und dass die Eisriesen die ganze Welt verschlingen, wie es die alten Geschichten erzählen, und dass wir uns lieber noch so lange
vergnügen sollten, wie wir können.« Sie schaute Acton an, und Bramble spürte die Verzweiflung unter ihrer Koketterie. »Was glaubst du?«
    Er trat näher und nahm ihr Gesicht sanft in seine Hände. »Ich glaube, dass du wunderschön bist, dass deine Augen die Farbe des Meers haben«, sagte er, und Bramble spürte, dass nichts Falsches in diesen Worten lag und vielleicht nie gewesen war. Was also machte ihn dann zu Acton, dem Eindringling?
    Er kniete sich nieder und küsste das Mädchen.
    Holt mich sofort hier raus!, schrie Bramble zu den Göttern, und endlich reagierten sie und sandten das Wasser, um sie mitzureißen, umherzuwirbeln, durchzuschütteln und irgendwo an Land zu setzen, irgendwo anders, nur nicht in Actons Armen.

Ash
    Am nächsten Tag, einem Tag, an dem der Himmel mit großen weißen Wolken bedeckt war und ein leichter Wind wehte, ritten sie auf Pfaden an der Flanke des Bergs entlang. Dabei hielten sie auf den Pass zu, der in die North Domain führte. Ash durchdachte alle Schwierigkeiten, in die sie in den bevölkerten Teilen des Tals geraten konnten. Es war eine Binsenweisheit unter Wanderern, dass zwei junge Männer, die gemeinsam auf Wanderschaft waren, am ehesten unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zogen.
    »Rüpel, Bastarde und Schläger«, hatte ihn seine Mutter gewarnt, als er erst elf oder zwölf gewesen war. »Sie haben es alle selbst auf junge Männer abgesehen.«
    Aber es führte für sie kein Weg daran vorbei. Sie mussten durch die Flussebene reiten, um sich einen Weg um die östlichen Ausläufer der Northern Mountains zu bahnen, welche das Tal eingrenzten. Der Felsvorsprung ragte vor ihnen empor und nahm noch an Größe zu, während sie den nächsten Tag über auf ihn zuritten; es war eine regelrechte Klippe, über und über bewachsen mit verkrüppelten Bäumen, die sich an Felssimse und in Felsritzen klammerten.
    »Kennst du einen Weg über die Klippe?«, fragte er Flax.
    »Dort hinauf gehe ich nicht!«, erwiderte

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