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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Euch diesen Tag versüßen zu dürfen. Ihr seht schon sehr viel wohler aus, aber es wird mir eine Ehre sein, in den nächsten Stunden ein wenig Farbe auf Eure wunderschönen Wangen und Glanz in Eure Augen zu zaubern.«
    »Es heißt, die Zeit heile alle Wunden, aber gewiss kann Eure Gesellschaft dies auch«, versetzte sie. Doch wunderte sie sich insgeheim über ihre spontane Koketterie.
    Dabei fühlte sie sich eher angespannt als zum Charmieren aufgelegt. Vor allem ihre Kleidung bereitete ihr Kopfzerbrechen: Da sie keine Reitgarderobe besaß, hatte sie improvisieren müssen, was ihr nicht wirklich behagte. Den Unterrock mit den Fischbeinverstrebungen hatte sie in ihrer Kammer gelassen, dafür trug sie unter ihrem Trauerkleid Severins alte Beinlinge und Stiefel, in denen sie watschelte wie eine Ente. Auf den ersten Blick mochte sie recht ansehnlich wirken, wenn sie sich aber in Bewegung setzte, war der Anfangszauber vorbei. Was würde Imhoff dann wohl sagen? Bereits vor ihrem Spiegel hatte sie sich gescholten, sich auf einen Ausritt eingelassen zu haben. Ausgerechnet sie, die schon immer sicherer zu Fuß unterwegs war als auf dem Rücken eines Pferdes. Und dann war da noch die Frage einer Begleitung ...
    »Meine Magd muss auf den Kleinen aufpassen«, hob sie an.»Da ich keine Zofe unterhalte, ist niemand da, der für den Anstand sorgen könnte, wenn wir unterwegs sind.«
    »Ich bin sicher, das werden wir selbst tun können«, erwiderte er lächelnd. »Ihr seid eine Frau, die weiß, was sie will, und ich bin kein Vergewaltiger, nicht wahr?«
    Sie setzte zu einer Antwort an, doch er hinderte sie mit einer Geste daran: »Natürlich bin ich um Euren guten Ruf besorgt, Meitingerin. In dem Mietstall am Jakobertor habe ich deshalb nicht nur zwei Pferde reservieren lassen, sondern auch einen Knecht bestellt, der mit uns ausreiten wird. Ihr könnt Euer Schicksal unbesorgt in meine Hände legen.«
    Die Vorstellung, bis zum Jakobertor in Stiefeln watscheln zu müssen, war Christiane unbehaglich. Sie runzelte die Stirn, konnte sich aber kaum weigern mitzugehen. Entschlossen nahm sie Imhoffs Arm und spazierte los.
    Es versprach ein schöner Tag zu werden, und das sonnige Wetter nahm ihr schließlich jede Scheu. Die Frühlingsbrise zauberte tatsächlich Farbe auf ihre bleichen Wangen. Es war ein wenig warm, vielleicht sogar zu heiß für den Übergang vom Mai auf den Juni, aber das störte Christiane nicht. Selbst die Tatsache, dass Severins Hosen bald an ihren Schenkeln klebten, trübte ihre aufflammende Freude keineswegs. Wenigstens hatte sie sich rasch an die Stiefel gewöhnt. Mit der Begeisterung eines Kindes war sie plötzlich über den bevorstehenden Ausritt beglückt.
    Einen vergleichbaren Ausflug hatte sie zuletzt im vorigen Herbst unternommen, als sie noch nicht mit Meitinger verheiratet gewesen war. Ihr Gatte hatte ständig gearbeitet oder war auf Reisen gegangen, auf denen sie ihn nicht begleiten durfte, für Ausgelassenheit war keine Muße gewesen, so dass sie bei ihren selbständigen Unternehmungen niemals weiter als bis zu den Stadttoren gekommen war.
    Imhoffs Pläne nahmen ihr für einen Moment die Last vonden Schultern, sie plauderte angeregt über dies und das, nur nicht über ihre eigentlichen Sorgen, als könne sie endlich wieder Atem schöpfen, um sich gestärkt der Wahrheit zu stellen.
    Obwohl Christiane lieber durch die Fuggergärten in der Jakobervorstadt gewandert und eigentlich gerne den darin befindlichen Zoo mit seinen exotischen Tieren aus allen Teilen der Welt besucht hätte, ließ sie sich mutig auf den Ausritt ein. Tatsächlich stellte sie sich im Damensattel der zierlichen, dunkelbraunen Stute, die ihr der Stallbesitzer überließ, gar nicht so ungeschickt an. Der Leib des Pferdes fühlte sich unter ihr warm und weich an, Planchette und Horn des Sattels vermittelten Sicherheit, und es zeigte sich, dass die Stute leicht zu führen war.
    Sorglos trabte sie hinter Imhoff her, der auf einem großen Apfelschimmel beeindruckend attraktiv wirkte, gefolgt von einem Knecht, der stumm und wahrscheinlich auch taub war. Christiane fragte sich, ob der Dichter den Burschen wegen seines körperlichen Mangels ausgewählt hatte und schon öfter mit Damenbekanntschaften ausgeritten war. Für einen Mann mit bestimmten Absichten war gewiss niemand so sinnvoll wie ein Bub, der ein begehrliches Flüstern nicht verstand und nicht erzählen konnte, welch verfängliche Situation er beobachtet hatte. Der Gedanke amüsierte sie

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