Die Hüterin des Schattenbergs
Dazu kommt, dass wir das Buch erst einmal finden müssen, ehe wir etwas unternehmen können. Das allein wird vermutlich schon viel Zeit in A nspruch nehmen. Schlimmstenfalls ist es dann zu spät.«
»Ihr Götter! Und wir vertun hier kostbare Zeit mit Gerede.« Jemina erhob sich und schaute Rik an. »Ich werde sofort aufbrechen.«
»Warte.« Rik hob beschwichtigend die Hand. »Ich bin sicher, dass Meister Corneus bereits einige seiner Männer zur Hohen Feste geschickt hat, die nach dem Buch suchen.« Er schaute den Meistermagier an. »Oder irre ich mich?«
»Nun …« Corneus räusperte sich. »Das hätte ich gewiss getan, gäbe es da nicht noch ein Problem.«
Rik zog erstaunt eine A ugenbraue in die Höhe. »Und welches?«
»Wie ihr sicher wisst, stehen all jene in unseren Diensten, bei denen das Ritual der Reinheit nicht vollzogen werden konnte. Unglücklicherweise ist es so, dass Orekh den Unreinen schon zu Lebzeiten den Zugang zu seiner Feste verwehrt hat.«
»Aber Orekh ist lange tot«, erwiderte Rik. »Die Hohe Feste ist nur noch eine Ruine. Dort lebt kein Mensch mehr.«
»Ich spreche nicht von Menschen.« Corneus Miene verfinsterte sich. »Auch im hohen A lter war Orekh noch ein sehr mächtiger Magier. Er war voller Misstrauen und A bneigung gegen alles und jeden. A m Ende zog er sich völlig zurück und lebte mit nur einem einzigen Diener allein auf der Hohen Feste. Dort erschuf er W esen, die seine Schätze und sein W issen auch über seinen T od hinaus hüten sollten. Magische Geschöpfe, denen der T od nichts anhaben kann und deren Schwur, ihm zu dienen, auch heute noch Bestand hat. Die Hohe Feste mag verfallen sein, verlassen ist sie nicht, denn diese W esen streifen auch heute noch durch die Gewölbe und hüten die Schätze der Feste wie am ersten T ag.«
»Und warum sollte es dann ausgerechnet Jemina gelingen, in die Feste zu gelangen?« Rik warf Corneus einen skeptischen Blick zu.
»Weil sie als Einzige die Prüfung auf Doh-Jamal abgelegt hat«, antworte Corneus. »Die Nerbuks haben sie für würdig befunden, eine Hüterin zu werden. A uch sie sind Orekhs Geschöpfe und vermutlich denen sehr ähnlich, die die Feste bewachen.«
»Das ist mir nicht genug.« Rik schüttelte den Kopf. »Warum sollte die Prüfung durch die Nerbuks auf Doh-Jamal A uswirkungen auf das V erhalten der W ächter haben?«
»Du bist wirklich sehr kritisch, junger Mann.« Corneus bedachte Rik mit einem langen und prüfenden Blick und Jemina spürte, wie Rik neben ihr unruhig wurde. A ber Corneus ging nicht weiter darauf ein. Er seufzte nur und wandte sich an Ulves: »Erzähl du es ihm.«
»Nachdem Orekh sich auf seine Feste zurückgezogen hatte«, begann Ulves so übergangslos, als hätte er die A ufforderung schon erwartet, »waren die Hüter die Einzigen, die ihn noch besuchen durften. Ihnen fühlte er sich bis zu seinem T od auf besondere W eise verbunden. Einem Hüter oder einem anderen A ngehörigen des Zirkels werden die W esen den Einlass vermutlich nicht verwehren.«
»Hat schon jemals ein Hüter versucht, dieses besagte Buch zu finden?«, erkundigte sich Jemina.
»Nein.« Ulves schüttelte den Kopf.
Rik stöhnte auf. »Dann haben wir nichts als V ermutungen.«
»Ich finde, das klingt alles sehr einleuchtend.« Jemina war nicht bereit, Riks Bedenken zu teilen. »Außerdem bin ich den Nerbuks bereits begegnet und habe sie nicht als gefährlich empfunden.«
»Nur weil die Nerbuks nicht gefährlich waren, heißt das noch lange nicht, dass die W esen in der Feste dir auch freundlich gesinnt sind.« Rik wandte sich an Ulves: »Was geschah mit denen, die versucht haben, das Buch des Lebens zu finden?«
»Sie … kehrten nicht zurück.«
»Niemand?«
»Nicht einer.« Ulves schüttelte den Kopf.
Rik wollte etwas sagen, aber Jemina kam ihm zuvor. »Ohne das Buch wissen wir nicht, was zu tun ist. Dann ist Selketien verloren und wir sind vermutlich bald alle tot. Das Buch ist die einzige Hoffnung, die Magie der Hüter zu erhalten und ich bin offenbar die Einzige, der es gelingen kann, dieses Buch aus der Hohen Feste zu holen. Ich habe keine W ahl.«
»Du bist sehr mutig. Efta wäre stolz auf dich.« Corneus nickte Jemina anerkennend zu. »Ich werde dir zwei Schwertdrachen und meine besten Reiter für die Suche zur Seite stellen. So kannst du die Hohe Feste in wenigen Stunden erreichen.«
»Schwertdrachen?« Jemina riss überrascht die A ugen auf. Jeder in Selketien kannte die riesigen und majestätischen
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