Die Hure Babylon
fragte der Großmeister.
De Bernay, der sich keine Blöße geben wollte, löste seinen Blick von Constansa und wandte sich dem Ordensmeister zu. »Ich rede von dieser abscheulichen Satansbrut, den Türken,
Grand Maître.
Anscheinend haben sie noch nicht genug. Wir müssen auf einen weiteren Angriff vorbereitet sein.«
»Ganz recht«, nickte Everard. »Aber ich frage mich, wo.«
Damit wandten sich die Templer einer Karte zu, die ihnen von den Griechen überlassen worden war, und waren bald so im Gespräch vertieft, dass Arnaut und seine Gefährten sich überflüssig vorkamen. Daher verließen sie das Zelt der Ordensbrüder.
Wenig später, die Männer saßen am Lagerfeuer und schlangen ihr spärliches Abendmahl herunter, gellten schrille, unmenschliche Schreie durch die Nacht. Andere Geräusche verstummten. Es schien, als ob das ganze Lager den Atem anhielt und lauschte.
»Was zum Teufel ist das?«, fragte Jori erschrocken.
»Das Verhör der Gefangenen«, sagte Ferran. »Freiwillig reden die doch nicht.«
Constansa sah ihn erschrocken an. Plötzlich konnte sie nicht mehr essen. Diesen Männern hatte sie Auge in Auge gegenübergestanden. Es waren Feinde, ja. Aber sie kämpften tapfer. Sie nun wie Tiere zu quälen, ihr Fleisch zu martern … Wie war das mit dem freundlichen Gebaren des Großmeisters in Einklang zu bringen? Sie nahm einen tiefen Schluck Wein und versuchte, das Grauen abzuschütteln, das die Schreie der Gefangenen in ihr verursachte.
»Die Türken werden uns den Weg abschneiden wollen«, meinte Bertran Sant Gille nach einer Weile. »Dabei gibt es nur diese eine Straße nach Laodikeia, hier am Fluss entlang. Ich wette, irgendwo, an geeigneter Stelle, werden sie über uns herfallen.«
»Warum müssen wir unbedingt bis nach Laodikeia ziehen?«, wollte
Fraire
Aimar wissen. »Nicht weit von hier gibt es eine Brücke über den Mäander, hab ich mir sagen lassen, die bereits westlich der Kadmusberge nach Attalia führt. Vielleicht können wir so den Feind vermeiden und gewinnen noch Zeit dabei.«
»Du vergisst, wir brauchen Futter und Proviant, ehe wir uns über die Berge wagen.«
»Ich gebe zu, ich verstehe nichts von diesen Dingen«, sagte Aimar. »Der König wird es wohl am besten wissen.«
Nicht nur Constansa sprach dem Wein zu. Würfelspiel und Trinken sind zwei Laster, von denen der Soldat nicht lassen kann. Hunger, Entbehrungen, frostige Nächte und lange Märsche nimmt er ohne Murren auf sich, solange er zu saufen hat. Besonders an Abenden, wenn man es in den Knochen spürt, dass Kampf und Tod nicht mehr weit sind, und man sich fragt, ob man den nächsten Abend noch erleben wird. Dann ist das selige Vergessen, das der alte Weingott Bacchus bietet, wahrlich ein Geschenk des Himmels.
Ein Sänger gesellte sich zu ihnen, und wie um das Geheul der gemarterten Türken zu übertönen, grölten sie die beliebten Lieder, lustige, kämpferische und auch zotige. Unter Arnauts Männern war ein junger Bursche mit einer klangvollen, hellen Stimme, Esteban hieß er. Er wechselte sich mit dem Sänger ab, und wenn der Kehrreim kam, fiel die ganze Runde ein.
Als die Feuer langsam niederbrannten, wurde es still im Lager. Auch von den Gefangenen war nichts mehr zu hören. Nun stimmte der
trobador
besinnlichere Weisen an, über Abschiedsschmerz und Trennung, über des armen Ritters Herz, das er blutend bei der Liebsten lässt, der in Erfüllung seiner Ritterpflicht, und um dem Schöpfer beizustehen, ins ferne Syrien zieht, auf dass er Ehr und Himmelreich gewönne und bei der Heimkehr auch die Liebe seines Herzens.
Später in seinem Zelt konnte Arnaut nicht schlafen. Die Worte des Liedes hatten sich in sein Hirn gegraben und ließen ihn nicht los. Monate und Monate waren sie marschiert, Tag für Tag, Woche für Woche, ein halbes Leben lang, so kam es ihm jetzt vor, durch Sommerhitze und Winterkälte, durch endlose Landschaften, eine fremder als die andere. War er verdammt, für immer durch die Welt zu irren? War es überhaupt richtig gewesen, Ermengarda zu verlassen, oder doch ein Fehler? Und würde er morgen vielleicht sterben? Und wem hätte sein Tod dann genützt?
♦
Nach der Folter, die wenig an neuen Erkenntnissen gebracht hatte, waren die beiden Seldschuken gezwungen worden, »auf dem einbeinigen Ross zu reiten«, wie man das Pfählen im Volksmund nennt. Ein abgerundeter Pfahl wird mit Fett eingeschmiert und einen Fuß tief in den Mastdarm eingeführt, dann mitsamt dem Verurteilten aufgerichtet und in
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