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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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Kober gerade allen seinen weich fallenden
Kragen Ade. Er war inzwischen zu Kragen aus Spitze, die auf ein Drahtgestell
gezogen wurden und schräg um den Kopf herumstanden, übergegangen. War man,
nachdem man auch bei Fremden diese Kragenart gesehen hatte, ebenfalls zu
Drahtgestell und Spitze bereit, ließ Kober den Silberdraht gerade weg und breit
lag die Spitze auf seinen Schultern.
    Kober war
freundlich, gutmütig und hilfsbereit. In ganz Pritzwalk kannte Valentin nur
einen Menschen, der ihn nicht mochte, seine Ziehmutter Vyfken, der er gar
nichts getan hatte. »Aber er schmeißt sich in die Brust wie ein Ferkel in den
Dreck«, sagte sie bei einem von Valentins sonntäglichen Besuchen. Valentin
hatte ihr Holz gehackt, brachte einen Korb voll Scheite herein und schichtete
sie neben dem Herd.
    »Aber das ist
doch kein Grund«, sagte er.
    Außerdem hatte Kober einen
Hang zu gutem Essen, den man ihm damals noch nicht ansah, und eine Art, seine
schwangere Frau anzusehen, die er mit einer Hansekogge verglich, dass die
schlesische Elsbeth, die das zufällig hörte, Valentin mit extra viel
Kuchenteigresten bestach, um von ihm zu erfahren, ob eine Hansekogge etwas
Unkeusches sei.
    Nur Elsbeth
mit ihren Ratschlägen wie, dass man Steine an den Apfelbaum hängen solle, damit
er sich schäme und im nächsten Jahr besser trage, dass man dem Federvieh den
Tod des Hausvaters mitteilen müsse, was Aufgabe des neuen Hausvaters sei, die
er, Kober, bisher nicht erfüllt habe, dass Judith nicht unter einer Wäscheleine
hindurchlaufen dürfe, weil das Kind sich sonst die Nabelschnur um den Hals
schlingen könne, und sich nicht vor Mäusen erschrecken dürfe, nur Elsbeth mit
allem, womit sie seine Judith erschreckte, ging ihm auf die Nerven – genauso
wie Jenne, die Judith mit Malzbier und Brühe aus Rindsfleisch traktierte und
ermutigenden Bemerkungen wie: Was reingekommen sei, komme auch wieder heraus.
    »Noch so ein Wort und du
kommst auch raus, Jenne. Ihr könnt gern wieder in die Schäperstraße zurück.«
    Mit »ihr«
meinte er auch Anton und Robert und mit der Schäperstraße das Haus seiner
Eltern.
    Diese hatten
sich von der Nachricht, dass die Schwiegertochter schwanger sei, hocherfreut
gezeigt. Seine Mutter hatte Judith in die Arme geschlossen und sie erst halb
erstickt und mit verrutschter Haube wieder freigelassen. Schon zwei Tage später
lieferte Tischler Gerloff auf seinem Tafelwagen ein Geschenk von ihr an, ein
rot-weiß gestreiftes Faulbett, denn von nun an müsse Judith sich schonen. Und
Kober, der sie mitnichten schonte, bis sechs Wochen vor der Entbindung dürfe
man noch, sagte er, schimpfte, ermattet hinterher, wieder auf die alte
Kinderfrau. »Deine Elsbeth hat aber auch immer was zu melden«, sagte er. »Warum
hast du ihr denn erzählt, dass mein Vater für das Kind schon ein Konto eröffnet
hat? So was braucht sie doch gar nicht zu wissen.«
    »Warum
nicht?«
    »Hast du
nicht gehört, was sie gesagt hat? Ach nein, da warst du grad draußen. Das könne
sich auswirken, hat sie gesagt. Davon könne das Kind später hinter dem Geld her
sein.«
    Er sah nicht, wo das Unglück
da lag.
    Wo das Glück
lag, das sah er.
    Es lag im
Bett, an das man ihn holte, nachdem eine Schar aufgeregter, mit Tüchern und
warmem Wasser hin und her rennender Weiber ihn in seinem eigenen Hause
ausgesperrt hatte. Es lag, mit Ringen unter den Augen und dunklem, über das Kissen
gebreitetem Haar, erschöpft, aber lächelnd vor ihm und lebte noch, und es lag
krebsrot und krähend in der Wiege daneben. Es lag – ausgewickelt, darauf
bestand er – mit dem Glied, auf das es ihm ankam, die Ärmchen und Beinchen
bewegend, vor ihm. Es lag ihm, das Glück, sogar auf der Zunge, die nach dem
Freudenschnaps, den er bringen ließ, erst zu den Frauen, dann in die Küche,
nicht mehr so schnell gehorchte, wie in ihm das Triumphgefühl sich breitgemacht
hatte.
    Es war der
blaueste aller Septembertage. Er rannte durch die Bohlentür und über die Stufen
aus dem Haus, um durch den Torweg gleich wieder zurückzurennen. »Robert! Den
Apfelschimmel satteln! Robert, ich hab einen Sohn!« Er ritt persönlich zum
Speicher, um seinen Arbeitern die Nachricht zu bringen. »Ich bin Vater
geworden!«, meldete er und hielt sich am Seil eines Flaschenzuges fest. »Vater
eines Sohnes! Und zwar eines Knaben männlichen Geschlechts!«
    Am nächsten
Tag, als er, wieder nüchtern, bei Judith am Bett saß, schlug sie ihm vor, das
Kind David zu nennen – nach ihrem Vater, der

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