Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Soldaten von FORCE stehen netzweit zur Verfügung?« fragte Gladstone. Sie berührte mit einem Knöchel die Unterlippe.
Morpurgo holte Luft. »Ungefähr dreißigtausend, M. Präsidentin.«
Senator Kolchev schlug mit der Handfläche auf den Tisch. »Also haben wir nicht nur unsere gesamte Feuerkraft aus dem Netz abgezogen, sondern obendrein die Mehrheit aller Soldaten.«
Es war keine Frage, und Morpurgo antwortete nicht.
Senatorin Feldstein von Barnards Welt stand auf. »M. Präsidentin, meine Welt – alle genannten Welten – müssen gewarnt werden. Wenn Sie nicht bereit sind, sofort eine Ansprache zu halten, muß ich es tun.«
Gladstone nickte. »Ich werde die Invasion gleich im Anschluß an diese Versammlung bekanntgeben, Dorothy. Wir werden dir die Kontaktaufnahme mit den Wählern mit allen Medien erleichtern.«
»Der Teufel soll die Medien holen!« sagte die kleine dunkelhaarige Frau. »Ich 'caste nach Hause, sobald wir hier fertig sind. Was auch immer mit Barnards Welt geschehen mag, ich muß dort sein. Damen und Herren, wir sollten alle an Farcasterstreben hängen, wenn diese Nachricht zutreffend ist.« Feldstein setzte sich unter Murmeln und Tuscheln wieder.
Sprecher Gibbons erhob sich und wartete, bis Ruhe eingekehrt war. Seine Stimme klang gespannt wie ein Draht. »General, Sie haben von der ersten Welle gesprochen ... handelt es sich dabei um Militärjargon, oder bedeutet es, daß Geheimdienstmeldungen von möglichen späteren Übergriffen berichten? Wenn ja, welche anderen Netz- und Protektorats weiten könnten betroffen sein?«
Morpurgo verkrampfte die Hände und entspannte sie wieder. Er sah erneut ins Leere und wandte sich dann an Gladstone. »M. Präsidentin, dürfte ich ein Schaubild benützen?«
Gladstone nickte.
Das Holo war genau das, das die Militärs schon während der Sitzung im Olympus benützt hatten – die Hegemonie goldfarben; Protektoratssterne grün; die Vektoren der Ousterschwärme rote Linien mit wabernden blauen Kondensstreifen; die Einheiten der Hegemonieflotte orange –, und es war eindeutig, daß die roten Vektoren weit von ihren ursprünglichen Kursen abgewichen waren und wie blutige Speerspitzen ins Hoheitsgebiet der Hegemonie vordrangen. Die orangefarbenen Schlacken waren jetzt dicht im Hyperion-System konzentriert, andere waren auf Farcasterrouten aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur.
Einige Senatoren mit militärischer Kenntnis stöhnten angesichts dessen, was sie da sahen.
»Wir wissen von einem Dutzend bekannter Schwärme«, sagte Morpurgo immer noch mit leiser Stimme, »und alle scheinen an der Invasion des Netzes beteiligt zu sein. Mehrere haben sich in multiple Angriffsformationen aufgeteilt. Die zweite Woge, die zwischen einhundert und zweihundertfünfzig Stunden nach den Angriffen der ersten Woge in den Zielgebieten eintreffen sollen, folgen den hier dargestellten Vektoren.«
Kein Laut war in dem Raum zu hören. Gladstone fragte sich, ob die anderen ebenfalls den Atem anhielten.
»Zu den Zielen der zweiten Angriffswelle gehören – Hebron, in hundert Stunden; Renaissance Vector, in hundertundzehn Stunden; Renaissance Minor, in hundertundzwölf Stunden; Nordholm, in hundertsiebenundzwanzig Stunden; Maui-Covenant, in hundertunddreißig Stunden; Thalia, in hundertunddreiundvierzig Stunden; Deneb Drei und Vier, in hundertundfünfzig Stunden; Sol Draconi Septem, in hundertsiebzig Stunden; die Neue Erde, in hundertdreiundneunzig Stunden; Fuji, in zweihundertundvier Stunden; Neu-Mekka, in zweihundertundfünf Stunden; Pacem, Armaghast und Svoboda, in zweihunderteinundzwanzig Stunden; Lusus, in zweihundertdreißig Stunden und Tau Ceti Center, in zweihundertfünfzig Stunden.«
Das Holo verblaßte. Das Schweigen dehnte sich. General Mopurgo fuhr fort:
»Wir gehen davon aus, daß die erste Woge der angreifenden Schwärme sekundäre Ziele nach den ersten Invasionen haben, aber Transitzeit unter Hawking-Antrieb entspricht Standard-Zeitschuld für Netzreisen von neun Wochen bis zu drei Jahren.« Er trat zurück und stand bequem.
»Großer Gott«, flüsterte jemand einige Sitze hinter Gladstone.
Die Präsidentin rieb sich die Unterlippe. Um die Menschheit vor – wie sie es sah – ewiger Sklaverei zu retten – oder Schlimmerem, nämlich der Ausrottung –, war sie bereit gewesen, dem Wolf die Tür aufzumachen, während sich der größte Teil der Familie hinter verschlossenen Türen im ersten Stock in Sicherheit befand. Aber nun war der große Tag gekommen, und
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