Die Insel der Dämonen
zum Nachthemd. Ihr war nie klar gewesen, wie viele ganz selbstverständliche Dinge sie zum Leben brauchte. Drei Kisten konnten einfach nicht reichen!
Aber wie so oft im Leben reichte es irgendwie dann doch. Sie focht einige Kämpfe um diverse Bücher, Kleider und vor allem Schuhe mit Damienne aus und schwatzte ihr tatsächlich noch etwas Platz in einer ihrer Seekisten ab. Dennoch blieb vieles auf der Strecke, was sie vor Tagen noch für unverzichtbar gehalten hatte.
Ende März war der Aufbruch greifbar nahe. Vom Chateau de Roberval, der alten Heimat an der Oise, waren einige Diener mit Wagen gekommen, um die Dinge abzuholen, die nicht mit auf die Reise gehen würden. Zwei Tage lang war die Dienerschaft mit Einpacken beschäftigt. Überall standen verhüllte Möbel und Kisten mit Geschirr herum.
Marguerite wurde von einer eigenartigen Unruhe erfaßt. Sie hatte sich schon so sehr daran gewöhnt, daß der Aufbruch verschoben wurde, daß sie jetzt nicht glauben konnte, daß es wirklich losgehen sollte.
Es ging auch noch nicht los. Die Schiffe waren mit Vorräten beladen und seefertig, aber de Roberval wartete immer noch auf die schweren Geschütze, die der König versprochen hatte. Er sandte noch einmal Botschaft an den Hof, um sich nach dem Verbleib zu erkundigen. Er sei bereit zum Aufbruch, meldete er, aber für den Erfolg der Reise sei angemessene Wappnung unabdingbar. Ohne die Kanonen seiner Majestät sei das Unternehmen im höchsten Maße gefährdet. Er vertraue darauf, daß die Geschütze nun sehr bald einträfen.
Sie warteten eine weitere Woche, aber es kam nicht einmal eine Antwort. Der Hof war mit anderen Dingen beschäftigt. Es kursierten Gerüchte, daß wieder einmal ein Krieg mit Spanien bevorstünde.
Also lag die Flotte reisefertig und untätig im Hafen. Selbst de Roberval hatte plötzlich nichts mehr zu tun. Er konnte nur noch warten.
Für Marguerite war es eine Atempause. Eben noch hatte das Haus von Geschäftigkeit vibriert, plötzlich war Ruhe eingekehrt. Sie wohnte zwischen verpackten Möbeln und lebte gewissermaßen aus ihren Seekisten. Es traf sich gut, daß auch Hauptmann de Pousier keine Aufträge mehr für Henri wußte .
»Meinetwegen, du kannst dich mit ihm treffen - aber unter keinen Umständen alleine!«, sagte Damienne.
»Vertraust du mir nicht?«
»Doch, ich vertraue dir, aber ihm nicht!«
Also traf man sich wieder in der Kirche. Wieder mit Damienne, die sich mehr oder weniger dezent im Hintergrund hielt. Es hätte wieder viel zu sagen gegeben, wäre man allein gewesen, doch so verlief das Gespräch nur stockend. Man sprach über die Vorbereitungen und tauschte harmlose Anekdoten über Soldaten und Diener aus. Damienne lächelte zufrieden. Wenn die beiden sich jetzt schon nichts mehr zu sagen haben, dann wird es auf dem Schiff sehr einsilbig zugehen, dachte sie.
Sie ahnte nicht, daß unter all dem Schweigen so viel Ungesagtes nur darauf wartete, in einem ungestörten Moment ausgesprochen zu werden.
De Roberval wartete indes noch eine weitere Woche, dann berief er Anfang April eine Besprechung mit seinen Kapitänen ein. Ein letztes Mal trafen sie sich im Hause de Roberval: de Xaintonge, der erfahrenste Seemann des Landes und Kapitän des Flaggschiffs Anne, Albert de Lacq, der schweigsame Navarrese, der die Valentine kommandieren, und der junge Kapitän Paul d’Aussillion de Sauveterre, der die kleine Leche-Fraye befehligen sollte.
De Roberval kam ohne Umschweife zur Sache und schlug den baldigen Aufbruch vor - ohne länger auf die versprochenen Geschütze zu warten. De Sauveterre stimmte sofort zu: »Die Warterei hat lange genug gedauert. Es wird Zeit, daß unsere Schiffe offenes Wasser unter den Kiel bekommen. Die Mannschaften werden schon unruhig. Wenn Ihr es befehlt, stechen wir morgen in See.«
Jean Alfonse de Xaintonge äußerte Bedenken: »Ihr habt die Nachrichten gehört, Messieurs. Es droht Krieg. Wenn wir unterwegs auf spanische Schiffe stoßen, könnte es ohne die schweren Kanonen gefährlich werden.«
Albert de Lacq nickte zustimmend: »In Neufrankreich werden wir sie ebenfalls gut gebrauchen können, um die Wilden zu beeindrucken. Nach dem, was Cartier erzählt hat, dürfen wir nicht mit einer allzu freundlichen Begrüßung rechnen. Und wir haben jetzt schon fast ein Jahr auf die Abreise gewartet - auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es doch nun auch nicht mehr an.«
»Messieurs, das alles ist mir wohl bewußt«, antwortete de Robeval. »Ich würde auch gerne
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