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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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verstehe.»
    «Ein Verlust ist ein Verlust», antwortete Rhonda. «Vielleicht geht es in dieser Zeichnung darum. Wie leicht es passiert, dass ein Verlust in den anderen übergeht.» Sie biss sich auf die Lippen und sah auf ihn hinunter – Peter war für sie vielleicht der größte Verlust von allen.
    «Weißt du noch», fragte Rhonda, «dass Lizzy unbedingt eine
Rockette
werden wollte? Wie sie immer hohe Kicks übte und lauter verrücktes Zeug machte, um groß genug zu werden?»
    Peter nickte.
    «Vielleicht ist sie ja Tänzerin geworden?», meinte Rhonda.
    «Ronnie, ich glaube, keiner von uns führt als Erwachsener das Leben, das er sich als Kind erträumt hat. Oder?»
    Rhonda dachte einen Moment lang nach. «Tack schon», entgegnete sie.
    «Was wollte Tack denn?», fragte Peter kopfschüttelnd.
    «Dich», antwortete Rhonda. «Sie wollte mit dir zusammen sein, wenn sie erwachsen ist.»
    Ihre Blicke begegneten sich, und Peter holte tief Luft, als wolle er gleich etwas sagen, aber stattdessen hielt er einfach den Atem an. Rhonda sah weg.
    «Tack ist wirklich sauer auf dich, weiß du?», meinte Peter schließlich.
    «Sie übertreibt, Peter, siehst du das nicht? Ich wollte Suzy keine Angst einjagen. Sie ist ein kluges Kind und hat genau begriffen, was passiert ist. Herrgott, wahrscheinlich ist es sogar
gut
für sie, einmal darüber sprechen zu können.»
    «Und was hast du bei Laura Lee gemacht?», erkundigte er sich.
    «Ich hab sie einfach nur besucht.»
    «Klar.» Peters Augen verengten sich.
    «Jedenfalls   …» – Rhonda suchte verzweifelt nach einem neuen Thema – «…   was hast du in letzter Zeit gemacht? Arbeitest du wieder?»
    «Ich repariere das Haus von meiner Mutter. Wir haben beschlossen, es zu verkaufen.»
    «Nein!»
    «Mom wird nicht mehr darin wohnen. Und Tack und ich haben unser eigenes Haus. Es ist doch eine Schande, so ein gutes Haus einfach leerstehen zu lassen. Außerdem machen die Steuern uns zu schaffen, und wir könnten ein bisschen Geld gebrauchen.» Als Rhonda nickte, fuhr er fort: «Apropos Geld, hast du schon neue Stellenbewerbungen verschickt?»
    «Meine Güte, du klingst wie mein Vater», stöhnte Rhonda.
    «Vielleicht hat er ja recht», sagte Peter.
    «Ja, ich weiß. Er hat recht. Ihr habt beide recht   …» Rhonda brach ab. «Peter, kann ich dich was fragen?»
    «Was denn?»
    «Warum hast du damals an dem Tag beschlossen, dir zum Wandern freizunehmen? Du weißt schon, an dem Tag, als Ernie entführt wurde.»
    Peter stieß aufgebracht die Luft aus. «Ich weiß nicht, Ronnie. Ich wollte wohl etwas Zeit für mich allein haben. Also hab ich ein bisschen Proviant eingepackt, meine Wanderschuhe angezogen und bin zum Gunner’s Ridge gefahren. Was soll denn dabei sein?»
    Rhonda biss sich auf die Lippen. «Ich dachte, du wärest am Sawyer’s Pond gewesen. Als Tack und Suzy dich suchten, stand dein Pick-up nicht am Aufstieg zum Gunner’s Ridge.»
    «Was ich meinte, war   …», begann Peter zu erklären, der jetzt mehr als nur ein bisschen durcheinander klang, «…   ich wollte zum Gunner’s Ridge fahren, hab mich dann aber in letzter Minute anders entschieden. Meine Güte, darf man eigentlich nicht mal spontan sein?»
    Was Peter wohl sagen würde, wenn Rhonda ihn nach dem vermissten Schlüsselbund fragte, den sie auf dem Friedhof gefunden hatte? Der Schlüsselbund steckte in ihrer Hosentasche, und sie strich über die Hasenpfote, während Peter sich auf ihrem Bett lang streckte.
Ein andermal
, beschloss sie.
    Peter legte den Kopf aufs Kissen und stieß einen Seufzer aus. Dann runzelte er die Stirn.
    «Was ist denn das?», fragte er, drehte sich herum undgriff unters Kopfkissen. Er brachte einen Klauenhammer mit abgenutztem Holzgriff und schartigem schwarzgestrichenem Kopf zum Vorschein. Peter betrachtete ihn mit demselben Blick wie zuvor die Zeichnung und damals Lizzys Postkarten: mit zusammengekniffenen Augen und verwirrtem Gesichtsausdruck. Er drehte und wendete den Hammer in der Hand, als kenne er so ein Objekt nicht. Als wäre er selbst kein Mechaniker, sondern ein Außerirdischer von einer anderen Galaxis.
    Rhonda trat zurück, im ersten Moment erschreckt. Dann fiel es ihr wieder ein, und ihr Gesicht lief rot an. Als sie dann den Mund aufmachte, kam die Erklärung sogar ihr selbst wie frei erfunden vor.
    «Ach, der!» Sie kicherte nervös und schaute weg. «Ach, ich hatte gestern einen Albtraum   … nach dem U-Boot -Traum. Mit dem, äh   …» – sie zeigte auf den Hammer

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