Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Witwen

Die Insel der Witwen

Titel: Die Insel der Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Fohl
Vom Netzwerk:
mit Pfeilen.«
     
    »Und der Schuh daneben?«
    Lorenzen zuckte zusammen. Seine Augen verfinsterten sich. Er griff nach seinem Glas. Beinah hätte er es umgestoßen.
    »Sagen Sie mir lieber, wie sind Sie dazu gekommen, Leuchttürme zu bauen?«
    »Mein Vater war Wasserbau-Ingenieur.«
    »Ihr Vater ist bereits im Ruhestand?«
    »Er lebt nicht mehr.«
    »Das tut mir leid.«
    »Meine Eltern ertranken bei einem Schiffbruch, auf dem Rückweg von England.«
    Lorenzens Blick trübte sich. »Das Meer – das Meer ist sogar stärker als Gott.« Sein Kinn schob sich von einer Seite zur anderen. Die Gesprächspause zog sich in die Länge. Er stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab, um aufzustehen. Die Stuhlbeine schabten auf dem Boden. Er wankte leicht.
    »Nun lassen Sie uns Krabbensuppe essen. Es sind die ersten Krabben in diesem Jahr. Ich habe sie selbst gefangen und nach dem Rezept meiner Frau gekocht. Mit einem ordentlichen Sud aus Fischköppen und einem Schuss Rum.« Ein wieherndes Lachen folgte. Das ganze Gesicht glich einer Maske.
    Lorenzen deckte Teller und Löffel. Seine Bewegungen waren unruhig. Er stellte den Topf auf den Tisch, füllte die Teller. Von der Kelle kleckerte Suppe auf den Tisch. »Gut, dass ich keine Tischtücher benutze.«
     
    Wieder das merkwürdige Lachen, das hart klang. Er wischte die Suppenspritzer von der Platte.
    »Und nun guten Appetit, mit Gottes Segen.«
    Sie aßen die Krabbensuppe. Ein feiner Fischgeruch zog durch das Zimmer.
    Andreas Hartmann hätte gern ein paar Fragen zur Insel gestellt. Lorenzen kam ihm zuvor. »Wie gehen Sie beim Bau vor?«
    »Zuerst lasse ich die Transportstrecke vom Hafen zur Düne bauen. Sie ist bereits von Herrn Ricken vermessen. Es geht nicht anders, als den Bohlenweg quer über die Wiesen zu ziehen. Das ganze Baumaterial und alle Steine werden mit Pferdekarren transportiert. Die letzte Wegstrecke die Düne hinauf müssen die Arbeiter alle Steine per Hand hinaufschaffen. Das wird Zeit kosten und eine kräftige Plackerei werden. Ende März, spätestens Anfang April muss das Fundament stehen.«
    »Na, dann passen Sie man auf, dass Sie bei der ganzen Buddelei die Inselgeister nicht aufschrecken. Sie mögen es nicht, wenn man sie stört. Ich habe Herrn Ricken gesagt, dass die Düne nicht geeignet ist.«
    Andreas Hartmann lachte.
    »Lachen Sie nicht, mit den Geistern ist nicht zu spaßen.«
    »Das meinen Sie doch nicht ernst. Das ist doch dummer Aberglaube.«
    »Sagen Sie das nicht.« Lorenzen wirkte entspannter.
    »Meine Großmutter erzählte mir von vielen unheimlichen Wesen, die auf der Insel wohnen.« Er führte einen Löffel Suppe zum Mund, schluckte.
    »Als Junge saß ich in ihrer Kate und hörte Stunde um Stunde zu. Einmal erschien ihr ein wunderschöner grüner Vogel. Er flatterte vor ihr her. Sie wollte ihn greifen, aber er ließ sich nicht greifen. Er lockte sie mit seinem Geflatter in die Dünen hinein. Dann zauberte der Vogel einen Nebel hervor, in dem er verschwand. Meine Großmutter wusste nicht mehr, wo sie war. Der Vogel hatte sie irregeführt. Sie fand nicht mehr nach Hause. Fast wäre sie erfroren. Hüte dich vor ihnen, Jacob , flüsterte sie mir zu. Die Zauberwesen verwandeln sich nicht nur in Vögel, auch in Katzen und Seehunde. Du wirst von ihnen geplagt und gequält, ohne dass du es merkst. Sie legen dir Zauberkränze aus bunten Federn ins Kopfkissen. Dann kannst du kein Auge mehr zu tun, bekommst Kopfweh, wirst ganz matt und schwindest dahin wie der Tau in der Sonne. Guck jeden Abend in dein Kopfkissen, Junge, wenn du einen Federkranz darin siehst, nimm ihn sofort heraus. «
    »Das sind Ammenmärchen. Sie glauben doch nicht wirklich daran.«
    »Als Junge habe ich immer in mein Kopfkissen gesehen. Zumindest, wenn ich nicht einschlafen konnte.«
    Lorenzen füllte Suppe nach.
    »Es geschehen noch heute merkwürdige Dinge auf der Insel. Der Erk Olufsen ist vor Kurzem spurlos verschwunden. Wir haben ihn überall gesucht. Die Insel hat ihn verschluckt.«
    Andreas Hartmann winkte ab. »Er wird verunglückt sein.«
    »Mag sein. Nirgends verlieren sich Spuren so schnell wie im Sand. Ein kräftiger Wind genügt und ein Körper wird im Nu von Sand überdeckt.« Lorenzen löffelte etwas Suppe. »Der neue Inspektor war gekommen. Aber er hatte nur Angst. Sein Vorgänger war bei den Ermittlungen in den Dünensee gefallen. Der Neue fragte kaum etwas. Er ging gleich in die Schankstube. So macht er es jetzt immer, wenn er kommt. Meistens schreibt er in

Weitere Kostenlose Bücher