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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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schreiben kann.» (Das ist natürlich gelogen, und sie wissen es auch. Was ich will, ist eine Million Dollar, damit ich nie wieder ein einziges Wort schreiben muß.)
    Wenn ich schreibe, bin ich nervös und hasse meine Angehörigen, vor allem während jener berüchtigten Zeit, die man «ins Buch hineinkommen» nennt. Da bin ich mir nämlich noch nicht klar, ob ich als Madame Proust oder als Madame Maupassant schreiben will, und schließlich endet es doch damit, daß ich bloß Betty MacDonald bin und weine, wenn meine Bücher schlecht kritisiert werden. Gott sei Dank stehe ich damit nicht alleine da, denn auch berühmtere Leutchen werden von Kritikern gekränkt – sogar in Europa! Der einzige Dichter, der sich anscheinend nie über so etwas grämt, ist Ernest Hemingway, und dabei ist er doch so berühmt und wird oft so heruntergeputzt.
    Ich habe überall zu schreiben versucht: in der Küche, im Eßzimmer, im Wohnzimmer, im Schlafzimmer, auf dem Gartensitzplatz, auf der Veranda: es ist überall das gleiche Lied! Ich bin vor allem Hausfrau und Mutter und muß mich dauernd unterbrechen lassen. «Denk doch bitte mal nach, wo du den großen Schraubenzieher hingelegt hast! – Ich bin jetzt in Vashon und sehe gerade, daß ich die Liste verloren habe: was sollt ich doch besorgen? – Lies mal schnell die Gebrauchsanweisung nach und sag mir, ob man Insektizid auch gegen Schnecken nehmen kann! – Gib mir bitte das Rezept für ein Huhn in Olivenöl und Wein! – Also nächstes Wochenende, und ich bringe die Kinder auch mit!» Und so weiter!
    Im Frühling unsres zweiten Inseljahres trug ich meine Schreibmaschine auf den Sonnenschirmtisch hinaus – es war kurz vor Ferienbeginn – und Don und ich fanden, wenn ich überhaupt eine Minute Ruhe zum Schreiben haben sollte, dann müßten auch Joan und Anne irgendein «anderes Interesse» haben und sich einen Teil ihrer Schulkleidung selbst verdienen. Die Mädchen hatten schon andere Pläne: spät aufstehen, schwimmen, über Freunde sprechen, nie im Haushalt helfen etc. Sie begrüßten unsern Beschluß nicht gerade mit Händeklatschen. Statt dessen aßen wir viele Tage lang unser kärgliches Mahl mit folgender Begleitmusik: «Alle Kinder auf der Insel verdienen sich durch Beerenpflücken Geld – ich habe als Schulkind immer in den Ferien gearbeitet – ich habe schon als kleiner Junge Geld verdient – wir haben euch sehr lieb – ihr könnt noch am Abend schwimmen gehn – Beerenpflücken ist keine Dauerbeschäftigung – wir wollen das von euch verdiente Geld nicht in Whisky anlegen – es ist nicht ungesetzlich, wenn Kinder Beeren pflücken sollen – wir verlangen gar nicht, daß ihr zehn Meilen zu Fuß gehen sollt – die Farmer suchen Pflückerinnen – kein Mensch will zwei große Mädchen adoptieren…» usw.
    Das Beerenpflücken war kein großer Erfolg. Späte Regenfälle hatten fast die ganze Erdbeerernte vernichtet, zu wenig Regen hatte die Himbeeren verdorren lassen, die Johannisbeeren waren von Mehltau befallen, die Stachelbeersträucher waren voller Stacheln – und Brennesselnpflücken kam ungefähr auf das gleiche heraus wie Beerenpflücken.
    Jeden Morgen predigte ich den Kindern ein paar Binsenweisheiten: wer faul ist, weiß nicht, wie gut der Schlaf nach der Arbeit schmeckt – Arbeit ist keine Schande – und so weiter, und dann gab ich ihnen ein tüchtiges Lunchpaket mit und schob sie aus der Tür. Wenn sie abends träge nach Hause kamen, spähte ich vergebens nach Anzeichen von wachsendem Selbstvertrauen aus. Sie waren mürrisch und wütend, und ihre Kleider waren so voller Obstflecken, als seien sie absichtlich drauf geschmiert worden und würden sich selbst mit Kleesalz nicht entfernen lassen.
    Im Juli rief Mary an und schlug Anne eine Aushilfsstelle im Laboratorium meines Schwagers vor. Anne war hingerissen. Endlich konnte sie wieder in das ihr gebührende Leben in der Großstadt zurückkehren, und sie würde scheffelweise Geld verdienen, vielleicht so viel – das war ihre geheime Hoffnung daß Don und ich von ihr ernährt werden könnten und sie dann nicht mehr in die Schule zu gehen brauchte.
    Joanie, die bis dahin nur drei Dollar siebenundachtzig verdient hatte, seufzte erleichtert auf, denn wir würden sie natürlich nicht allein zum Obstpflücken schicken! Also bestieg sie ein Ruderboot und beschloß, den Rest des Sommers darin zu verweilen.
    Dann bekam Anne ihren ersten Wochenlohn, kaufte ein und schwankte unter einer Last von Kleiderstoff, neuen

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