Die Insel und ich
keiner wolle die Schuld haben, aber einer hätte Everetts Fernglas zerbrochen, und da würde er wütend werden.
Sie rief in der kommenden Woche jeden Tag an und sprach mindestens eine Stunde lang, um mir zu sagen, wie klein das Haus sei, wie eng die Küche sei, daß sie eigentlich eine Farm brauchten, daß sie die Kinder wegen der giftigen Quallen (die es gar nicht gibt) nicht an den Strand gehen ließe, auch nicht wegen der Strömung (und dabei liegt das Haus an einer stillen, kleinen Bucht), und daß sie plane, die Waschmaschine wegnehmen zu lassen, denn sie habe entsetzliche Angst, eins von den Kindern könne hineinfallen und zermalmt werden. Jedesmal, wenn sie telefonierte, tauchte Don neben mir auf und machte ein bekümmertes Gesicht, und wenn ich mich ihr endlich entzogen hatte, erklärte ich Don, wie leid sie mir tue, trotzdem sie mir so auf die Nerven fiele, und er sagte: «Mein Gott, wir müssen sie abschütteln. Sie ist die reinste Klette!»
Am Freitag rief sie wieder an und fragte, ob Don und ich auf ihrem Boot mit ihnen ausfahren wollten. Ich beeilte mich, ihr die Telefonnummer einer sehr tüchtigen Baby-Hüterin zu geben, aber sie erwiderte: «Oh, ich glaube, ich nehme die Kinder mit, sie schwärmen so fürs Wasser.» Ich sagte: «Das würde ich nicht riskieren. Sie sind so lebhaft und könnten über Bord fallen.» Sie sagte: «Ich will jedem eine Schwimmweste kaufen.» Da sagte ich, ich würde es mit Don besprechen und sie dann wieder anrufen.
Don sagte, er könne Everett sehr gut leiden, aber die Kinder könne er nicht noch einmal über sich ergehen lassen, und ob ich wohl wüßte, daß sie das letzte Mal den Plattenspieler zerbrochen hätten und eins habe das Barometer angefaßt und ein andres habe den Handbesen für den Kamin ins Feuer geworfen und der Großvaterstuhl sei besudelt und auf den Sofas hätten sich nasse Kinderhosen abgezeichnet. Ich verschob es also, Elizabeth anzurufen, und gegen zehn Uhr rief dann schließlich Everett an und sagte, er habe die Baby-Hüterin bestellt, und sie würden uns am folgenden Morgen abholen, und würden vielleicht Anne und Joan gerne mitkommen? Ich erwiderte, daß Anne und Joan schon eine Einladung fürs Wochenende angenommen hätten, aber Don und ich würden uns bereithalten.
Am Samstag war prächtiges Segelwetter, klarblauer Himmel mit einer steifen Brise, die von Norden kam, und das Wasser war schön bewegt, aber nicht zu unruhig. Don und ich hatten dunkelblaue Hosen, und ich hatte ein neues gestreiftes Hemd mit hohem Kragen, wie es die Fischer bei den Basken tragen sollen, und Don musterte es kritisch und sagte schließlich, ich sähe darin wie eine Hornisse aus. Doch mir war sehr seemännisch darin zumute, und ohnehin – das spricht für Elizabeth – selbst wenn ich meinen alten Bademantel getragen hätte, an dem der eine Ärmel schon nicht mehr vorhanden ist, und dazu Gummischuhe, dann würde ich doch schicker als Elizabeth ausgesehen haben.
Gegen zehn Uhr, als Don gerade eine Schlecht-Wetter-Mischung aus Schottischem plus Schottischem plus Schottischem komponierte, ertönte draußen eine Sirene, und ein Schiff näherte sich, das war nur ein klein bißchen kleiner als die Queen Mary , und es hatte alle Segel gesetzt. «Großer Gott», sagte ich zu Don, «glaubst du, das kann Everetts Boot sein?»
«Schon möglich», sagte Don, ohne sich weiter aufzuregen.
«Everett sprach davon, er wolle ein paar Studenten als Schiffsjungen mitnehmen.»
«Kein Wunder, daß Elizabeth keine Waschmaschine hat», sagte ich hitzig. «Da muß man ja staunen, daß sie überhaupt Essen kaufen können. Der Kahn muß mindestens 50 000 Dollar gekostet haben – und dann noch die Instandhaltung!»
«Da du vom Essen sprichst, fällt mir gerade ein: sollen wir etwas mitbringen?» fragte Don.
«Nein», erwiderte ich. «Ich habe Elizabeth gefragt, aber sie hat gesagt, sie habe alles.»
Einer von den Schiffsjungen holte uns im Beiboot ab, und Everett sagte sofort, ich sähe mächtig schick aus, und wo ich das Hemd gekauft hätte. Er blickte bekümmert auf seine Frau, die sehr weite rote Reithosen, einen Handwerkerkittel und Strohsandalen mit hohen Absätzen trug. Sie war aber doch ohne die Kinder ein andrer Mensch – durchaus nicht melancholisch, sehr witzig und eine glänzende Köchin. Außer uns und den Wheatons waren noch andere Paare dabei, und wie es immer an Bord ist, hatten wir alle dauernd Hunger. Elizabeth fabrizierte bis ein Uhr nachts immer neue leckere Speisen.
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