Die Insel und ich
machen. «Ich mache französischen Toast», sagte ich zu Tudor, eilte zufrieden in der Küche hin und her und stellte den Ahornsyrup hin.
Als ich einen Stoß von etwa sechzig Zentimeter Höhe gebacken hatte, schöne, goldbraune Kuchen, rief ich laut, das Frühstück sei fertig, und zog mich mit meiner Tasse Kaffee und einer Zigarette in meine Ecke zurück. Nach einem Weilchen kamen die Mädchen an, tropfnaß von meinem Parfüm und natürlich jede in den Sachen einer andern.
«Trinkt schnell euren Orangensaft», rief ich stolz, «ich habe französischen Toast gebacken!»
«Hoffentlich nicht für mich», sagte Anne nachlässig und schraubte eine Flasche Nagellack auf. «Ich habe Diät und esse nur ein hartes Ei.»
«Weshalb machst du bloß immer Orangensaft?» fragte Joan. «Tomatensaft hat nur fünfzig Kalorien.»
Die verschiedenen Jeanies und Ruthies antworteten auf mein Angebot, vom Gebäck zuzunehmen: «Danke, nein, Mrs. MacDonald. Ich kann nur schwarzen Kaffee trinken» – oder warmes Wasser – oder Zitronensaft – oder ein hartes Ei.
Nach der Schule kamen die Heuschrecken fahrplanmäßig an, aber nur die jungen Herren aßen. Die Mädchen nippten am Tee und rauchten. Wenn das Abendessen auf dem Tisch stand, einerlei, was es war, es war nie das, was ihre Diät gerade vorschrieb. Und ich konnte auch gewiß sein, daß entweder Joan oder Anne oder beide rufen würden: «Mein Gott, so viel! Weshalb kochst du denn immer gleich für Regimenter!»
Was für eine Diät sie gerade befolgten, konnte ich nicht feststellen, aber wahrscheinlich war’s die gleiche, die heute von Marys Töchtern befolgt wird: eine ganz besondere Backfisch- und Hochschul-Diät, die aus einem heimlich gegessenen Teller voller Fudge, einem Pfund Käse und drei Coca-Colas bestand, während am Eßtisch eine halbe Grapefruit hinuntergedruckst wurde.
Die Diskussion sexueller Fragen spielt in jenen Jahren natürlich eine große Rolle, und Don und ich waren ganz offen und ermutigten die Mädchen, uns auch offen zu fragen. Infolgedessen bestand die Tischunterhaltung, einerlei, wer zum Essen kam, aus mehr oder weniger medizinischen Themen, für die Anne und Joan und ihre Freundinnen sich außerordentlich interessierten.
Ich ermutigte die Mädchen auch, kaum konnten sie lesen, sich immer bei uns Bücher zu holen. Unsre Bibliothek ist umfangreich und sehr vielseitig, und außer gelegentlichen Hinweisen mischte ich mich nicht in ihre Bücherwahl ein. Eines Morgens vor der Schule bat mich Anne, weil es regnete, um ein Stück Einwickelpapier. Sie wolle ein Buch einwickeln, damit es nicht naß würde. Ich bot mich an, es für sie zu tun, und sie reichte mir Lady Chatterley’s Lover . Ich versuchte, ganz unbeteiligt zu sprechen: «Weshalb nimmst du das Buch mit in die Schule, Andy?»
«Will eine Zusammenfassung darüber machen», sagte sie genau so sachlich.
«Hast du’s gelesen?» fragte ich.
«Drin geblättert», sagte sie. «Ist greulich langweilig, aber D.H. Lawrence ist ja wohl ein guter Schriftsteller, nicht?»
Ich vertauschte es mit einer Novelle von Henry James, die ich taktvoll als «besseres Englisch, ebenso langweilig und viel leichter zu tragen» empfahl.
Natürlich kamen die Mädchen allmählich hinter alle Bücher und lasen sie offen auf der Veranda, doch verzichteten sie darauf, sie in der Schule zu besprechen.
Anne und Joanie und ihre Freundinnen taten auch immer sehr raffiniert, sprachen von trägerlosen schwarzen Abendkleidern und langen Zigarettenhaltern und ähnlichen damenhaften Dingen, aber wenn die Freunde dabeiwaren, kreischten sie wie die Möwen, lachten wie Hyänen und schubsten sich wüst umher. Schließlich gab ich den Mädchen eine Lektion Nr. 10874598734 über damenhaftes Benehmen und nette Manieren und Fraulichkeit und Charme. Sie hörten mir mit halbgeschlossenen Kobra-Augen zu, gähnten dann und stießen sich aus dem Zimmer und die Treppe hinauf, um sich oben im Badezimmer einzuschließen.
Was mich so beunruhigte, war die Tatsache, daß keine von ihren Freundinnen so ungeschliffen war. Alle Ruthies, Jeanies und so weiter sagten bitte und danke, standen auf, wenn ich ins Zimmer kam, und schrieben Dankesbriefe. Ich zerbrach mir den Kopf, was für Zaubermethoden ihre Mütter anwandten, und wann wohl, da sie ja meistens in unserm Haus waren. Bis Don und ich eines Tages zu einer Cocktail-Party eingeladen waren, und ein Fremder kam auf uns zu und sagte: «Sie sind also die Eltern von Anne und Joan? Sie gehen nämlich
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