Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
eines hungrigen Graslöwen geähnelt haben musste. » Aber ich habe keine Lust mehr, Eurer kranken Unterhaltung zuzuhören.«
Ich vermasselte meinen autoritären Auftritt gehörig, weil ich vergaß, dass ich Skandors Sattelgurt gelöst hatte. Der Sattel rutschte weg, als ich aufstieg, und ich landete schmachvoll der Länge nach auf dem Boden.
Ich hatte eine Neigung dazu, solche Dinge zu tun. Häufig sogar.
Als wir schließlich einen Platz gefunden hatten, an dem wir unser Lager aufschlagen konnten, regnete es. Nicht heftig, aber dafür unaufhörlich. Es gelang mir, ein Feuer in einer hastig errichteten Feuerstelle aus Steinen zu entfachen. Als Brennstoff zupfte ich etwas alten Selbermist aus dem Gras um uns herum. Ich briet die Wurzelknollen, und so hatten wir eine nahrhafte Mahlzeit, wenn sie auch etwas langweilig war. Den einzigen Schutz vor dem Regen bot jedoch die dünne, wasserdichte Decke, die ich bei meinen Sachen hatte; sie bestand aus gefilzter und geölter Selberwolle, allerdings war sie ursprünglich für eine Person gedacht gewesen, nicht für drei, und so mussten wir dicht beieinandersitzen. Wir hatten die Beine angezogen und lehnten mit dem Rücken an einem größeren Felsklotz, hielten die schützende Decke irgendwie über unsere Köpfe. Es war eine Situation, die zu ernsthaften Gesprächen geradezu einlud, und so überraschte es mich nicht, als Flamme sagte: » Das mit Eurer Frau tut mir wirklich leid, Kelwyn. Und auch, dass wir Euch so viele Schwierigkeiten gemacht haben. Können wir denn gar nichts tun, um die Dinge richtigzustellen? Vielleicht könnten wir einen Brief schreiben, wenn wir von dieser Insel weg und in Sicherheit sind?«
» Sei nicht dumm, Flamme«, unterbrach Glut sie. Ich hatte den Eindruck, als würde sie dieses Wort sehr häufig benutzen, wenn es um Flamme ging. » Wie viel Beachtung werden sie wohl einem Brief schenken, der von einer geflohenen Gefangenen und ihrer Komplizin stammt und in dem wir erklären, dass wir Gilfeder gezwungen haben, uns zu helfen?«
Flamme seufzte. » Du hast vermutlich recht.«
Glut wandte sich an mich. » Würden sie Euch wirklich bis ganz nach oben verfolgen? Oder sind sie nur hinter uns her?«
» Oh, ja, sie werden mich verfolgen. Sie wollen mich genauso sehr wie Euch beide.«
Als sie mich skeptisch ansah, führte ich es näher aus: » Ihr müsst verstehen, was für eine Beziehung wir Selberhirten mit den Machthabern der Küste pflegen. Wir zahlen Steuern an den Havenherrn, und zwar in Form des Stoffes, den wir aus der ersten Schur des Jahres bei den Selberjungen weben. Die Wolle is sehr schön und begehrt bei ihnen; sie bezeichnen sie als Wollseide.«
Ich fingerte an dem Ärmel meines Hemdes herum. » Das hier is Wollseide. Als Gegenleistung werden wir von ihnen in Ruhe gelassen. Niemand darf ohne unsere Zustimmung einen Fuß auf das Dach setzen. Wir haben unsere eigenen Gesetze, regeln unsere Angelegenheiten unter uns, bilden unsere Kinder selbst aus. Natürlich kommen einmal im Jahr die Ghemfe und tätowieren unsere Neugeborenen. Allerdings gibt es da auch einen Haken: Es gilt die Vereinbarung, dass wir ab dem Moment, da wir nach unten gehen, genauso behandelt werden wie die Bewohner der Küste, und dass wir, wenn wir irgendein Unrecht begangen haben, nich einfach hinauf zum Dach laufen können, um dort Zuflucht zu finden.
Aber es geht um mehr. Die Bewohner der Küste sind auf seltsame Weise sehr misstrauisch. Sie fürchten uns. Wir sind größer als sie und auch kräftiger gebaut. Wir sind ihnen unheimlich mit unseren roten Haaren und den Bärten, unserer hellen Haut und der seltsamen Art und Weise zu sprechen, und vor allem mit unserer Gottlosigkeit, wie sie es bezeichnen, denn wir beten zu keinen Göttern. Der größte Teil des Landes von Mekaté gehört uns, nich ihnen. Sie bewohnen den Saum der Insel, klammern sich so unsicher an die Küste wie Farn an eine Klippe. Sie scheinen beständig die Bestätigung zu brauchen, dass wir nich einfach vom Dach hinuntergelaufen kommen und sie in den Ozean treiben.
Also: Ja, sie werden mir folgen, und sie würden das auch tun, wenn Ihr nich bei mir wärt, einfach aus Prinzip. Und wenn sie mich gefunden haben, werden sie das Gesetz in vollem Ausmaß durchsetzen. Ich wusste es von dem Moment an, als das Ghemf gesagt hat, dass bei den Fellih-Wachen auch Männer des Havenherrn wären. Der Havenherr gibt den Fellih-Gläubigen Rückhalt. Und sie waren auch zu schnell; sie müssen sich bereits letzte
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