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Die Intrige

Titel: Die Intrige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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dass sich hinter dem ersten vier weitere Mönche befanden, die alle wie angewurzelt stehen geblieben waren, während ihre Marker weitergingen. Sie alle starrten Jonas mit offenem Mund an.
    So viel zu den möglichen Vorteilen der Kurzsichtigkeit.
    Alex, Katherine und Chip bogen hinter Jonas um die letzte Windung der Treppe und blieben so abrupt stehen, dass sie zusammenstießen. Mit ihrem Schwungschoben sie Alex gegen Jonas. Dieser schwankte vor und zurück und versuchte das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    Die fünf Mönche rissen vor Staunen den Mund noch weiter auf. Einen Moment lang starrten sich alle an. Dann stellte sich Katherine vor Jonas und Alex.
    »Hi!«, sagte sie, so kess wie die Teilnehmerin eines Schönheitswettbewerbs. »Ich, äh, grüße Sie! Schön, Sie kennenzulernen!«
    Fünf mittelalterliche Mönchsaugenpaare blinzelten ungläubig.
    Bislang hatte sich Jonas keine großen Gedanken über die Garderobe seiner Schwester gemacht. Normalerweise achtete er nicht darauf und in letzter Zeit war er ohnehin mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Aber jetzt stach sie ihm ins Auge. Katherine trug Jeans mit irgendwelchen komischen knallroten Stickereien an den Hosenbeinen, hatte sich ein Sweatshirt um die Taille gebunden und auf ihrem T-Shirt prangte in glitzernder Perlstickerei das Wort CHEER!
    Sie wirkte ganz und gar fehl am Platz neben all den schwarz gekleideten Mönchen. Jonas wusste immer noch herzlich wenig über das fünfzehnte Jahrhundert, aber selbst ihm war klar, dass nicht ein einziger Bestandteil ihrer Kleidung im Jahr 1483 denkbar gewesen wäre.
    »Ah …« Der dickbäuchige Mönch räusperte sich und musste noch einmal ansetzen. »Seid Ihr ein weibliches oder ein männliches Geschöpf?«, fragte er Katherine.
    Sie kicherte.
    Anscheinend hatten alle Mönche jüngere Schwestern, die sich ähnlich benahmen, denn sie schienen sich ein wenig zu beruhigen.
    »Oh, ich bin ein Mädchen«, erwiderte Katherine und sah an sich herab. »Ich bin nur … äh …«
    »Wir sind Reisende aus einem fernen Land«, sagte Jonas schnell. Am liebsten hätte er vor Stolz über seinen genialen Einfall gegrinst. »Deshalb sind wir so merkwürdig angezogen. Wir müssen in Ihren Augen wirklich abgefahren aussehen.«
    Die fünf Mönche blickten ihn verständnislos an. »Abgefahren« schien kein Wort des fünfzehnten Jahrhunderts zu sein.
    Um seinen Fehler zu überspielen, redete Jonas hastig weiter.
    »Wir sind zur Krönungsfeier nach London gekommen«, erklärte er. Wieder hatte er einen Geistesblitz. »Aber als wir heute Morgen eintrafen, wurden wir überrascht.« Er gab sich Mühe, möglichst ahnungslos und verwirrt zu klingen. »Wir hatten gehört, dass der neue König, Eduard V., ein Knabe sein soll. Aber nun hören wir die Menge einem Richard III. zujubeln. Wer ist dieser Richard? Und was ist mit Eduard?«
    Der dickbäuchige Mönch kniff die Augen zusammen.
    »Ihr seid ein Fremder und wagt es, unser Tun zu hinterfragen?«, sagte er.
    Jonas wich einen Schritt zurück, sodass er wieder mit Chip und Alex zusammenstieß.
    »Oh, wir
hinterfragen
gar nichts«, beeilte sich Katherine zu beteuern. »Sie können zum König machen, wen Sie wollen.«
    Die Mönche starrten sie immer noch an wie eine plötzliche Erscheinung vom Mars. Jonas begriff, dass sie nichts von dem, was Katherine sagte, ernst nehmen würden.
    »Es ist nur … es ist nur …«, begann er. Doch ihm fiel einfach nichts ein, was er hätte sagen können.
    Alex schob ihn beiseite.
    »Wir versuchen nur, Euer Tun zu verstehen«, sagte er und streckte die Hände aus wie jemand, der zeigen will, dass er unbewaffnet ist. »Es zeugt von Bescheidenheit, die eigene Unwissenheit zu kennen, nicht wahr? ›Der Narr hält sich für weise, aber der Weise weiß, dass er ein Narr ist.‹«
    »Fürwahr«, murmelte einer der Mönche. »Fürwahr.«
    »Na ja, das ist eigentlich von Shakesp-« Ein Anflug von Panik huschte über Alex’ Gesicht. »Ach, egal«, murmelte er.
    Das bedeutete wohl, dass Shakespeare zu dieser Zeit noch nicht berühmt war, vermutete Jonas. Womöglich war er noch nicht einmal geboren.
    Der älteste Mönch, ein kahlköpfiger Mann mit buschigen Augenbrauen, trat vor.
    »Da Ihr mich
unschuldige
Narren dünkt, will ich Euch einen Rat erteilen«, sagte er. »Es ist niemals klug, die Umstände der Erhebung eines Königs zu hinterfragen, solange dieser noch auf dem Throne sitzt. Ein kurzes Gedächtnis kann durchaus eine Gnade sein.«
    Was hatte das nun wieder zu

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