Die Intrige
meinte Amy. »Im Augenblick kannst du nur dort bleiben und abwarten. Ning ist bereits in der DESA , und ich denke, dass dein Lehrer das Warten irgendwann leid ist und dich allein zur Schule bringt.«
»Dann ist die Mission also geplatzt«, stöhnte Alfie. »Und das, nachdem ich mir so viel über Schach reingezogen habe!«
*
Sobald der kleine Jet vom Kreml gestartet war, hatte Leonid Ethan aus dem Sitz geprügelt, ihm die Taschen ausgeräumt, seine Uhr weggenommen und ihn mit einem blauen Auge, einem Squashball im Mund und ohne Erklärung auf dem Boden liegen lassen.
Ethan schätzte, dass sie etwa drei Stunden geflogen waren, als er immer noch geknebelt die Stufen des Flugzeugs hinunterpolterte. Leonid drehte ihm schmerzhaft den Arm auf den Rücken. Auf dem windigen Flugplatz gab es nichts als eine schon lange kaputte Radarschüssel, eine Hütte ohne Tür und eine SchotterstraÃe, die am Horizont verschwand. Ein paar Hundert Meter weiter stand ein zweiter Yak 40-Jet der Aramovs, dessen Rumpf schmutzig war und notdürftig reparierte Einschusslöcher aufwies.
Als sie unten an der Treppe ankamen, lieà Leonid Ethan los, woraufhin der Dreizehnjährige sofort die Hose aufmachte und erleichtert aufstöhnend in den roten Sand pinkelte.
»Du hättest mir sagen sollen, dass du aufs Klo musst«, sagte Leonid und grinste über Ethans Beschwerden.
Vor dem anderen Flugzeug stand ein Mann. Er war sehr groà und im wahrsten Sinne des Wortes schwarz. Er trug einen schäbigen hellblauen Anzug und eine goldene Sonnenbrille.
»Ist das der Sohn deiner Schwester?«, fragte er. Um die leer laufenden Turbinen des Jets zu übertönen, musste er schreien, als er Leonid die Hand schüttelte. Tonfall und Körperhaltung lieÃen vermuten, dass sich die beiden Männer nahestanden.
»Schön, dich wiederzusehen, Kessie«, erwiderte Leonid in seinem armseligen Englisch, als sie die Fäuste aneinanderstieÃen. »Sind meine Instruktionen klar?«
»Glasklar«, antwortete Kessie, während sich Ethan umblickte, aber nichts als Erde und ein paar rundliche Hügel sah. »Ich kümmere mich um ihn und sorge dafür, dass er das Richtige sagt, wenn seine GroÃmutter anruft und ihn nach der Schule fragt.«
»Und halt ihn auÃer Sichtweite!«, fügte Leonid hinzu. »Meine Mutter kennt dieses Spiel schon lange. Sie hat überall Augen und Ohren. Wenn sie es zu schnell herausfindet, sind wir beide tote Männer.«
»Wie lange wird es dauern?«
»Es braucht eine Weile, um Zugriff auf das gesamte Vermögen meiner Mutter zu erlangen«, meinte Leonid. »Wenn es schiefläuft, können wir den Jungen noch gut als Pfand einsetzen, aber sobald ich alle Bankkonten der Aramovs kontrolliere â¦Â«
Leonid beendete den Satz, indem er sich mit der Hand über die Kehle fuhr und ein gurgelndes Geräusch von sich gab.
»Willst du ein Video?«, fragte Kessie.
Leonid sah Ethan lächelnd an.
»Nicht dass ich dir nicht vertrauen würde, aber Videos kann man fälschen.«
»Unterkiefer?«, schlug Kessie vor.
Leonid nickte.
»Ja, hack ihm den Unterkiefer ab und schicke ihn zu Kuban ins Büro in Sharjah. Ich überweise dir die andere Hälfte des Geldes, sobald wir ihn bekommen haben.«
Ethan hatte früher schon Angst gehabt, aber noch nie so wie jetzt, wo er irgendwo im Niemandsland stand und zwei Männern zuhören musste, die sich über seine Leiche unterhielten, als sei sein Tod nur eine Formalität.
»Es ist mir stets ein Vergnügen, mit dir Geschäfte zu machen«, sagte Kessie und packte Ethan im Genick. »Du wirst mir doch keinen Ãrger machen, oder?«
Ethan konnte mit dem Squashball im Mund nicht sprechen, doch er zitterte vor Angst und hatte Tränen in den Augen. Leonid winkte ihm kurz zu, als er zu seinem Flugzeug zurückging.
»War nett, dich kennenzulernen, Neffe«, sagte er. »Und wenn du in den Himmel kommst, sag deiner Mutter, sie kann mich mal.«
*
Als Angestellte des amerikanischen Geheimdienstes hatte Amy Zugang zu den besten Radar- und Satellitennetzwerken der Welt. Doch mit nichts davon konnte sie den Weg eines Flugzeuges verfolgen.
Während Alfie und Ning vorsichtshalber eine Nacht in der DESA verbrachten, für den Fall, dass Ethan doch noch auftauchte, studierten Amy und Ryan die Ausdrucke der US Air Force Radarüberwachung für alle
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