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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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»Sieht nicht so aus, als würden Sie hier Ihren Motor lüften.«
    Fin schluckte. »Ist … ähm, ist einfach ausgegangen … und … und jetzt tut er’s nicht mehr.« Was faselte er da für einen Blödsinn zusammen!
    Sie trat an den Wagen und warf einen Blick auf den Motor. »Hier, halten Sie mal.« Sie hielt ihm ihren Helm und die Motorradhandschuhe hin. Fin nahm sie artig entgegen.
    Der rote Haarschopf verschwand unter der Haube, schmale flinke Finger tasteten über den Motorblock. Rüttelten hier, drehten dort. Schraubten irgendwas ab, schraubten es wieder an.
    »Starten Sie mal.«
    Fin sprang auf den Fahrersitz und drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang tatsächlich an. Er war sprachlos.
    »Sie sollten in der nächsten Werkstatt das Zündkabel überprüfen lassen.« Sie knallte die Motorhaube zu. »Vielleicht sollten sie sich sicherheitshalber nen Satz neue Zündkerzen einbauen lassen.«
    »Der Wagen gehört mir aber gar nicht«, entgegnete Fin und trat sich im Geiste in den Hintern für eine weitere unqualifizierte Äußerung.
    »Wenn Sie weiterhin mit diesem Auto fahren wollen, sollten Sie’s trotzdem tun«, meinte sie ernüchternd.
    »Okay. Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Sie nahm Helm und Handschuhe und ging zurück zu ihrem Motorrad. Fin starrte ihr hinterher, sah zu, wie sie die langen Haare zusammenraffte und unter dem Helm verstaute, sich in den Sattel schwang und die Maschine vom Ständer schob.
    Er konnte es nicht einfach bei einem schnöden »Danke« belassen. Die Frau hatte ihn immerhin gerettet.
    »Wirklich vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen!«, rief er, aber seine Ansprache ging im aufheulenden Motor unter. Sekunden später war das Motorrad hinter der nächsten Kurve verschwunden.
    Fin schüttelte den Kopf, als müsse er ein Trugbild loswerden. Normalerweise war er nicht auf den Mund gefallen, aber irgendetwas an dieser Frau war seltsam. Vielleicht hatte die alte Nora recht und sie war tatsächlich eine Meerjungfrau. Eine Meerjungfrau mit 50 PS, die Autos reparierte …
    Er legte den Gang ein und brachte den Wagen wieder auf die Straße zurück.
    Wenig später passierte er die schmale Brücke zum Festland. Ein mulmiges Gefühl begleitete ihn, wenn er daran dachte, dass man vor gar nicht allzu langer Zeit versucht hatte, genau diese Brücke in die Luft zu sprengen.
    Er ließ die raue Schönheit der Küste hinter sich. Die Landschaft wurde sanfter und grüner, wenn letzteres überhaupt möglich war. Statt Schafen sah man öfter Rinder auf den Weiden, hier und da bestellte Kartoffeläcker und Getreidefelder und die dazugehörigen Farmen.
    Fin schaltete das Radio ein. Jemand quasselte ohne Punkt und Komma, und es dauerte eine Weile, bis er merkte, dass er kein Wort verstand. Es war gar nicht so einfach, in dieser Gegend einen Sender zu finden, wo nicht Gälisch geredet wurde oder wo überhaupt nicht geredet wurde. Entweder geriet er in eine staubtrockene Wirtschaftsreportage oder in endlose   Call-ins   zu so interessanten Themen wie »Läuft mein Traktor besser mit rechts- oder linksdrehendem Motorenöl?« oder »Kann ich meinen Stier auch mit homöopathischen Mitteln kastrieren?« Unterbrochen wurde das Ganze nur von Werbung für Dünger oder Hundefutter. Wenn er doch unverhofft auf Musik stieß, dann ging ihm das Geflöte und Gefiedel schon nach kurzer Zeit auf die Nerven. Er konnte Ronan durchaus verstehen, wenn er diese Musik nur für die zahlungskräftigen Touristen spielen ließ, die nie kamen.
    Nein, in seinen Adern floss nun mal nur zur Hälfte irisches Blut, und er war froh, dass er nicht hier lebte, sondern in Dublin. Da konnte die Landschaft noch so atemberaubend sein.
    Mit Hilfe der Straßenkarte fand er schließlich sein Ziel.   Dowlin House   war ein alter Landsitz aus dem neunzehnten Jahrhundert, ein beeindruckendes Anwesen, besonders, was Grund und Boden anging, das Haus selbst hatte entschieden bessere Tage gesehen. Der Wagen rappelte über ein Viehgitter, das das Grundstück von der Straße trennte. Von Rindern oder Schafen war weit und breit nichts zu sehen. Ein düsteres, efeuumranktes Tor präsentierte standesgemäß ein altes Familienwappen mit den üblichen Ingredienzien. Löwe, Einhorn, Fisch, allerlei Kleinvieh und irgendwelches Grünzeug, das auf dem verwitterten Stein nicht mehr zu erkennen war. In der Mitte ein christliches Kreuz. Die Vorfahren der Keanes waren nicht wählerisch gewesen.
    Der Familiensitz selbst bestand aus einem langgestreckten

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