Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
Vom Netzwerk:
grauen Kasten. Drei Etagen mit imposanten Fenstern, eine Säule hier, ein Rundbogen dort, aber alles in allem eher schmucklos. An einigen Stellen bröckelte bereits der Putz. Malcolm Keane war Witwer, die Kinder längst aus dem Haus. Fin wunderte sich, wer all die Zimmer und Säle bevölkerte.
    Der Kies knirschte vornehm unter den Autoreifen, was nicht darüber hinwegtäuschte, dass sich an den Rändern der Auffahrt das Unkraut breitmachte.
    Fin erwartete ein Dienstmädchen oder einen Butler, aber es war der Hausherr selbst, der ihm öffnete.
    »Mr. Keane?« Fin fischte seinen Ausweis aus seiner Gesäßtasche und hielt ihn dem Mann vor die Nase. »Detective Sergeant O’Malley.«
    Malcolm Keane musste trotz Brille blinzeln, um das Kleingedruckte lesen zu können. »Aus Dublin?« Er musterte Fin über den Goldrand hinweg. »Kommen Sie rein«, knurrte er, »dieses Haus hat all die Jahre so viele Uniformen gesehen, da kommt es auf einen Polizeibeamten mehr auch nicht an.«
    Der Empfang war erwartungsgemäß kühl. Fin betrat die Eingangshalle.
    »Möchten Sie ablegen?«
    »Ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
    »Junger Mann, wenn man eines in meinem Alter hat, dann Zeit.« Keane wies mit der Hand auf eine angelehnte Tür und ging voraus. Er war auf einen Gehstock angewiesen, sein rechtes Bein zog er nach. Er trug die Lieblingsfarbe der über Siebzigjährigen. Beige von Kopf bis Fuß. Aber die Hose war gut geschnitten, die Bügelfalte messerscharf und der Pullover wahrscheinlich aus Kaschmirwolle. Er führte Fin in sein Arbeitszimmer, in gehobenen Kreisen gerne auch als Bibliothek bezeichnet. Ein Feuer brannte im Kamin, auf dem Schreibtisch schimmerte der Monitor eines Computers. Von irgendwoher erklang leise klassische Musik.
    Fin sah sich neugierig um, während Malcolm Keane ihn zu einer gemütlichen Sitzgruppe aus dunklem, abgewetzten Leder dirigierte. Die Fenster führten auf eine Terrasse und darüber hinaus auf einen gepflegten Rasen. Die Wände beherrschten ohne Ausnahme Regale bis unter die Decke, bis zum Bersten vollgestopft mit Büchern. Fin fragte sich, wer die alle abstaubte.
    Keane schien seine Gedanken lesen zu können. »Ich lebe alleine hier. Eine Putzfrau kommt einmal die Woche, ab und an der Gärtner. Bitte.« Er bot ihm einen Sessel am Kamin an.
    »Ein bisschen einsam, oder?« Fin ließ sich in das wuchtige Polster sinken.
    Der alte Herr setzte sich ihm gegenüber. »Ich bin aus dem Alter raus, wo man jede Woche Partys braucht. Irgendwann genügt man sich selbst«, erklärte er, »aber ich nehme nicht an, dass Sie gekommen sind, um sich mit mir über meine Befindlichkeit auszutauschen.«
    »Ihre Söhne.«
    Malcolm Keane schnaubte kurz. »Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich nicht allzu überrascht bin. Gibt es Neuigkeiten von Jack? … Nicht, dass es mich wirklich interessierte.«
    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht welche.«
    »Detective O’Malley, ich habe Jack das letzte Mal gesehen, als er seine Sachen geholt hat. Damals war er einundzwanzig. Danach habe ich nur noch in der Zeitung über ihn gelesen. Es war wenig Erfreuliches dabei.«
    »Und Thomas?«
    »Thomas ist tot. Das sollten Sie eigentlich wissen.«
    »Er wurde vermisst und schließlich für tot erklärt. Es hat nie eine Leiche gegeben.«
    »Ich war nicht auf der Trauerfeier.« Malcolm Keane stand auf und öffnete die Tür zu einem kleinen Kabinett. Fin vernahm das dezente Klirren von Glas. »Sie wollen wissen, ob ich glaube, dass mein Sohn wirklich tot ist? Thomas ist für mich schon vor Jahren gestorben. Genau wie sein Bruder Jack. Nehmen Sie einen Whisky oder gehören Sie auch zu denen, die offiziell im Dienst nicht trinken?«
    »Danke. Wenn es der Geselligkeit dient …«
    »Tun Sie mir den Gefallen, Detective. Nehmen Sie Eis?«
    »Nein, danke.«
    Er reichte Fin einen teuren Kristalltumbler, großzügig eingeschenkt, und ließ sich mit einem unterdrückten Seufzer ins knarrende Leder sinken. Fins fragender Blick entging ihm nicht. »Ein Unfall vor zwei Jahren. Ein Pferd hat mich abgeworfen. Tja, es gibt Dinge, die sollte man ab einem gewissen Alter nicht mehr tun.«
    Fin roch das durchdringende Aroma von Laphroaig, noch ehe er einen Schluck probiert hatte. Es erinnerte ihn immer an einen Zahnarztbesuch, aber er hatte schon schlechteres getrunken. »Ich verstehe ja Ihre harte Haltung, Mr. Keane, aber es geht immerhin um Ihre Söhne.«
    »Ja. Manchmal kann ich es selbst kaum glauben.« Er betrachtete die bernsteinfarbene

Weitere Kostenlose Bücher