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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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»Lüge!«.) Haarnetz und Pomade, zuvor wohl bestimmt für den künftigen Stellvertreter des Konsuls in Manchester, sind nun für Bundó. Er bekommt auch den Talkumpuder, weil er oft darüber klagt, dass vom Schwitzen seine Schenkel wund werden. Das Fläschchen mit Wasserstoffperoxid, das Wässerchen gegen Mückenstiche und die Jodtinktur lassen wir im Lkw, für alle Fälle. Den Verbandskasten behält Gabriel. Darin befinden sich eine Spritze aus Plastik, ein Gummischlauch, Mullbinden und Verbandklammern. Aspirin. Ein ungeöffneter Termosanstift. Abgelaufene Hustentabletten. Eine Dose Pflaster mit einem getrockneten Blutfleck darauf. Gabriel nimmt außerdem ein echtes Stethoskop mit. Das hat wohl ein Landarzt mal liegen lassen, und nun wird ein Kind damit spielen. (Christopher bestätigt: Er hat es ein paar Jahre später bekommen.) Es gibt noch einen Kalender vom Vorjahr, mit Fotos von Autos bei den Rennen auf dem Montjüic, ebenfalls für Gabriel; auf dem Blatt für den Juli sind zehn Tage mit Kreuzchen markiert, darunter steht der Name eines Medikaments. Die Birnenspritze für Einläufe will keiner haben.
    Petroli spricht wieder
    Mit den Auslandsfahrten begann für die Spedition La Ibérica ein rasanter Aufstieg. Von einem Tag auf den anderen, ohne dass es großer Investitionen bedurfte oder er viele neue Männer anheuern musste, wurde Herrn Casellas’ Geschäft grenzüberschreitend und machte ihn noch reicher. Zurechtgemauschelt – damals sagte man eingefädelt – wurde die Sache in Büros und Kirchen, zwischen Zigarren und Hochzeitsglocken. Eine von Casellas’ Töchtern, die kleinere, heiratete einen jungen Mann aus guter Familie, der, wenn ich mich nicht täusche, im Banco de Madrid was zu sagen hatte. Und natürlich mussten wir Arbeiter von La Ibérica ein Hochzeitsgeschenk machen und das Geld dafür aus eigener Tasche zusammenkratzen. Bei der Feier war neben vielen anderen Pinguinen ein gewisser Ramiro Cuscó Romagosa dabei, ein Parteibonze, der mit dem Bräutigam verwandt war. Und von da aus sprang Herr Casellas, wie nach einem guten Wurf beim Gänsespiel, hoch ins Büro von José María de Porcioles, dem Bürgermeister von Barcelona. Zwei plus zwei macht vier. Ein Jahr später, als Casellas’ erster Enkel in der Kirche Sant Gregori Taumaturg getauft wurde, zählte Porcioles schon zu den Gästen und übernahm die Rolle des netten Onkels, der in keiner franquistischen Familie fehlen durfte. Ebenfalls dabei war, noch zurückhaltend und schüchtern, Juan Antonio Samaranch, der ja heute vor allem wegen der Olympischen Spiele in Barcelona bekannt ist. Damals hatte er auch schon irgendwas mit Sport zu tun, bei der Stadtverwaltung, aber man merkte, dass er nach Höherem strebte, und in El Pardo in Madrid hatte man ein Auge auf ihn geworfen. Casellas wusste sich bei ihm einzuschmeicheln. Vier plus zwei macht sechs. Gut möglich, dass La Ibérica – wenn man sich all die Gefälligkeiten anschaut, die unter den Franco-Leuten in diesen goldenen Jahren gang und gäbe waren – nur ein paar Krümel abbekam. Gut möglich auch, dass Herr Casellas mit seiner Quiekstimme und seinem Elefantengang in der hohen Runde den Kasper spielte und die anderen mit seinen Schnurren über gezähmte Andalusier und Kommunisten amüsierte – immerhin genoss er das zweifelhafte Privileg, täglich mit denen umzugehen.
    Es dauerte keine zwei Monate, bis seine Bemühungen zu fruchten begannen. La Ibérica bekam den Exklusivauftrag für alle Diplomatenumzüge nach Frankreich, Deutschland, Großbritannien und in die Schweiz. Sechs plus zwei macht acht. Die Botschafter, Konsuln, Vizekonsuln und anderen Nichtstuer intrigierten, Franco nominierte. Die Machtmaschine lief wie geschmiert. Und am Ende jeder Runde des Postenschachers beluden drei Möbelpacker den Laster für eine Fahrt auf die andere Seite der Pyrenäen, und ihr Chef schob sich wieder ein hübsches Sümmchen in die Tasche. Für die da oben war das vielleicht nur ein Pappenstiel, aber acht und zwei macht zehn. Damals gingen die Rechnungen immer auf.
    Im Sommer 1960, als das Gerücht umlief, La Ibérica würde ins Geschäft der internationalen Umzüge einsteigen, fingen wir alle an zu träumen, wir wären die Erwählten. Keiner von uns hatte je das Land verlassen, und inzwischen kamen die ersten Charterflüge mit schwedischen Touristen in Málaga an. Es verbreitete sich das Bild von einem modernen, paradiesischen Europa, die Länder im Norden kamen uns vor wie eine höhere

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