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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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traumatisierendes Erlebnis so weit zu verdrängen, dass sie sich dreißig Jahre lang nicht mehr daran erinnert hätte?“, fragte sie.
    „Sie meinen die Misshandlungen?“
    „Nein, in diesem Fall meine ich etwas anderes.“
    In der Stille, die nun folgte, lag eine unausgesprochene Frage. Aber auch Neugier. Echtes fachliches Interesse.
    Dennoch zögerte Winnie. „Wenn Lilli zum Beispiel etwas beobachtet hätte, das nicht direkt mit ihr zu tun hatte …“
    „Was denn?“
    „Zum Beispiel den Mord an einem anderen Kind.“
    „Oh …“ Sie war überrascht. „Nun, gut möglich, dass sie auch das verdrängt hat.“
    „Dreißig Jahre lang?“
    „Ja, warum nicht? Immerhin war sie, wenn wir richtig liegen, sehr geübt im Ausblenden.“
    „Und könnte ihr das auch dann gelungen sein, wenn sie …“ Winnie biss sich auf die Lippen. „Wenn sie all diese Jahre mit dem Täter verheiratet gewesen wäre?“
    „Manchmal kann man überhaupt nur überleben, wenn man bestimmte Dinge konsequent ausblendet“, sagte Dr. Frescobaldi anstelle einer Antwort.
    „Und was, wenn Lilli durch irgendein Ereignis wieder an das Verdrängte erinnert worden wäre?“, folgte Winnie einer spontanen Eingebung. „Zum Beispiel, weil sie gehört hat, dass ein weiteres Kind entführt wurde?“
    „ Psychogene Amnesien sind nicht irreversibel“, entgegnete die Ärztin zögerlich. „Und selbst eine zersplitterte Persönlichkeit lässt sich rein theoretisch wieder zu einem funktionierenden Ganzen zusammenfügen. Allerdings halte ich die Chancen hierauf ohne Therapie für äußerst gering.“
    Winnie nickte. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich … Das war doch immerhin schon mal was! Laut sagte sie: „Vielen Dank, dass Sie sich so ausführlich dafür Zeit genommen haben.“
    „Keine Ursache.“
    „Sie haben mir sehr geholfen.“
    Dr. Frescobaldi lachte. „Das glaube ich kaum. Aber falls Sie’s rausfinden, also rausfinden, was wirklich passiert ist, rufen Sie mich an?“
    „Klar. Versprochen.“
    „Okay, dann viel Erfolg.“
    Winnie bedankte sich und beendete das Gespräch. Während sich ihr Blick im Grün der Hecke verlor, trieben Informationsbruchstücke hinter ihrer Stirn vorbei wie Treibholz auf einem reißenden Fluss. Leider wollte es ihr beim besten Willen nicht gelingen, auch nur eines davon zu erwischen, um es näher betrachten zu können. Es war ein einziges großes Chaos!
    Hatte Sie etwas erfahren, das sie weiterbrachte? In diesem Gespräch, vorhin, in den letzten Tagen? Gab es irgendeine Rechtfertigung dafür, dass sie sich wieder und wieder von einem brandaktuellen Fall ablenken ließ, um sich den ollen Kamellen zuzuwenden, den sogenannten Cold Cases?
    Edda Bender wird nie wieder nach Hause kommen, dachte sie. Sie wird bis in alle Ewigkeit verschwunden bleiben, und ihr Schuh wird bis in alle Ewigkeit auf der Konsole in ihrem verwaisten, verstaubten Mädchenzimmer stehen. Genau wie der Grabstein, der niemals Viola Krempinskis Grab schmücken wird, bis ans Ende aller Tage neben der Terrasse ihres Elternhauses stehen wird. Falls die neuen Besitzer ihn nicht auf den Müll werfen , merkte eine imaginäre Hannah Bender unsentimental an.
    Frustriert stand Winnie auf und schlenderte über den Parkplatz.
    Wenn Fennrich Edda Bender getötet hat, überlegte sie wie schon unzählige Male zuvor. Und auch Viola Krempinski … Aber halt! Hatte Lilli Dahl, die mutmaßliche Augenzeugin des Mordes an Edda Bender, denn nicht selbst geschrieben, dass der Mann, den sie in Viola Krempinskis Todesjahr geheiratet hatte, unschuldig war – zumindest was Edda Benders Verschwinden anging? Sie zog die Stirn in Falten und versuchte, sich an die genauen Worte zu erinnern: Dabei hatten sie Jasper sogar in Verdacht, damals, mit Edda …
    „Dabei hatten sie Jasper sogar in Verdacht“, wiederholte sie laut. Klang das nicht, als ob Lilli ganz sicher gewesen wäre, dass ihr Mann nichts mit der Tat zu tun hatte?
    Aber Lilli Dahl war krank, widersprach sie sich selbst. Sie hatte Gedächtnislücken. Sie brachte Dinge durcheinander. Vielleicht war sie sogar schizophren. Und sechsunddreißig Jahre waren nun mal eine verdammt lange Zeit, das ließ sich nicht leugnen.
    Psychogene Amnesie …
    Eine gespaltene Persönlichkeit …
    Vielleicht hatte Lilli Dahl auch schlicht und einfach nicht mehr gewusst, dass sie ihren Mann als Kind mal bei einem Mord beobachtet hatte.
    Er mag ein Wirrkopf sein, aber im Grunde seines Herzens ist er ein anständiger Mensch , hörte

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