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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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immer bis zum Hals schlug. War da jemand? Etwas? Ein Tier?
    Doch alles, was sie entdecken konnte, waren Sträucher, Farne und knorrige Brombeerranken. Nach und nach wurde der Boden wieder fester. Steiniger.
    Musste sie denn eigentlich nicht längst am See sein? Oder hatte sie sich verlaufen, war sie vom Weg abgekommen?
    Frauen und Orientierung , höhnte Lübke in ihrem Kopf, und ein altes Märchen kam ihr in den Sinn: Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald …
    „Fehlt nur noch das Pfefferkuchenhäuschen“, knurrte sie unwillig. Das Kuchenhaus, mit dem die böse Hexe die Kinder gleich reihenweise anlockte. „Und wenn eins in ihre Gewalt kam“, zitierte Winnie eine Zeile aus dem Märchen, die sie als Kind gehört und die sich ihr eingeprägt hatte, weil sie so martialisch gewesen war, „wenn eins in ihre Gewalt kam, so machte sie es tot.“
    Sie machte es tot …
    Sie ging schneller.
    Um sie herum knackte es.
    Sie machte es tot und kochte und aß es . …
    War Edda Bender hier, war sie in diesem Wald gewesen? So tief? Oder war sie am Ende doch im Uhlenforst verschwunden? Oder ganz woanders?
    Sechsunddreißig Jahre, dachte Winnie. Das ist viel zu lange, um noch irgendwas klären zu können. Oder? Was hatte sie empfunden, da eben unter den Bäumen? Wovor hatte sie sich gefürchtet? Und warum fürchtete sie sich jetzt nicht mehr? Gab es so etwas überhaupt, verwunschene Orte?
    Sie dachte an das Tote Maar in der Eifel, von dem eine alte Erdkundelehrerin einmal erzählt hatte und über das angeblich niemals ein Vogel flog. Zugleich kam ihr die verlassene Kiesgrube in den Sinn, in deren Nähe sie als Kinder manchmal gespielt hatten. Ein unheimlicher Ort war das gewesen, gespenstisch still und von den Tieren scheinbar konsequent gemieden, obwohl die Grube mit ihren zerklüfteten Wänden eigentlich einen idealen Lebensraum geboten hätte.
    Was hatten manche Orte an sich, dass jedes Wesen mit funktionierenden Instinkten einen weiten Bogen um sie machte?
    Winnie seufzte. Wasseradern, Erdstrahlen, vergrabene Giftmüllfässer, betete sie im Stillen die mehr oder minder plausiblen Erklärungen für derartige Phänomene herunter. Dann sah sie sich noch einmal gründlich um. Der zwischenzeitlich gefährlich abschüssige Boden war hier wieder ebener, und durch das Unterholz funkelte smaragdgrünes Wasser.
    Das Ufer, dachte sie verwundert. Ich bin tatsächlich am Weiher!
    Das Klingeln ihres Handys kam so unerwartet, dass ihr der Schreck durch alle Glieder fuhr.
    „Lübke hat angerufen“, meldete Verhoeven , nachdem sie den Anruf entgegengenommen hatte. „Die Grabungen unter den Zypressen haben leider zu keinem Ergebnis geführt.“
    Sie konnte seine Enttäuschung fast körperlich spüren, nicht zuletzt deshalb, weil sie sie teilte.
    Bringen Sie mir meine tote Tochter, damit ich sie beerdigen kann , quengelte Hannah Bender in ihrem Kopf.
    „Es gibt keine Spur von Edda oder Viola“, wiederholte unterdessen Verhoeven, als müsse er sich selbst immer wieder aufs Neue mit dieser unbequemen Wahrheit konfrontieren, um sie zu glauben. „Nicht die geringste.“
    „Mist.“ Winnie setzte sich auf einen umgestürzten Baum und stellte überrascht fest, dass sie von dort aus die Hütte sehen konnte. Lilli Dahls Zuhause lag nur etwa zweihundert Meter entfernt. Allerdings war die Sicht fast vollständig durch das Schilf versperrt, das fast überall am Ufer wuchs. „Haben wir wenigstens irgendwas Neues zu unserem Aquarienfreund?“
    „ Vielleicht“, entgegnete Verhoeven, und in seiner Stimme schwang ein Fünkchen Hoffnung mit. „Der Kerl, den wir suchen, hat noch ein anderes Mädchen belästigt, eine Woche vor Corinna Schillings Entführung. Eine Siebenjährige. Sie sitzt gerade bei der Zeichnerin. Außerdem haben wir jetzt eine ziemlich präzise Beschreibung seines Autos.“
    „Inklusive des Kennzeichens?“, fragte Winnie.
    „Darauf hat unsere kleine Zeugin leider nicht geachtet“, räumte Verhoeven ein.
    „Aber sie würde den Mann, der sie belästigt hat, wiedererkennen?“
    „Sie sagt ja.“
    „Ist sie bei ihm zu Hause gewesen?“
    Ihr Vorgesetzter verneinte. „Er wollte, dass sie zu ihm ins Auto steigt, aber die Kleine wurde misstrauisch und ist ihm entwischt. Sie ist nicht auf den Kopf gefallen.“
    „Glück für sie.“ Winnie schlüpfte aus ihren Mokassins und streckte die heißen Füße so weit wie möglich von sich. Der Waldboden war warm und fühlte sich beinahe lebendig an. Lebendig und seltsam vertraut. „

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