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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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von ihrer Schwester erzählt hatte. Ein Gedanke, der sie im nüchternen Zustand schier wahnsinnig machte. Doch andererseits brachte sie auch nicht den Mut auf, ihn direkt auf die Sache anzusprechen.
    Sie trat zu ihn. „Was ist das?“
    „Keine Ahnung. Es steckte unter einem der Dielenbretter.“
    Ihr Blick streifte die schäbige Matratze, auf der die Tote gelegen hatte. Einer von Lübkes Leuten beugte sich über den fleckigen Stoff und nahm Proben.
    „Blut“, sagte er, als sie ihn fragend ansah. „Allerdings nicht besonders viel. Und Spuren von Erbrochenem.“
    Sie nickte und ging neben Lübke in die Knie, der seinen Fund mit konzentrierter Miene begutachtete. „Sind das Briefe?“
    „Sieht so aus.“ Er wischte sich mit dem Ärmel seines Overalls über die verschwitzte Stirn. Sein Gesicht war knallrot.
    Er sollte sich mehr bewegen, dachte Winnie. Sonst trifft ihn irgendwann der Schlag.
    „ Könnte auch `ne Art Tagebuch sein“, konstatierte er, indem er mühsam auf die Füße kam und sich den Staub von den Knien seines Schutzanzugs klopfte. „Es war ganz hinten, in Hohlraum unter dem Fußboden.“
    Winnies Hände kämpften mit dem Latex der Handschuhe, die sie zwischenzeitlich abgelegt hatte. „Ein Tagebuch aus losen Blättern?“
    „ Offenbar hat sie die Bögen aus einem Schulheft gerissen“, erklärte Lübke und hielt ihr eine Handvoll auf DIN-A-6-Format gefaltete Blätter hin. Seine fleischigen Finger wirkten so ungeschickt, dass Außenstehende ihm die für seine Arbeit so notwendige Feinmotorik kaum zugetraut hätten.
    „Liebe Welt da draußen“, las Winnie laut. „Ich spreche dich direkt an, weil man für alles ein Gegenüber braucht. Aber ich kann mir niemanden vorstellen. Also niemand Konkretes. Eine Welt, das ist leichter, auch wenn es sich schwerer anhört.“
    Lübke sah sie an. „Also wenn das tatsächlich von eurer Toten ist, würde ich sagen, sie war ein bisschen gaga …“
    Sie nahm ihm die Blätter aus der Hand. Das Papier war kariert und die Innenkanten zeigten Spuren von Heftklammern. Die Schrift wirkte kindlich, aber akkurat, so als habe sich die Schreiberin ganz besondere Mühe gegeben, leserlich zu sein. Aber es gab auch Stellen, die anders aussahen. Flüchtig und fremd. Fast so, als habe dort ein anderer noch rasch etwas hinzugefügt.
     
     
    03. Juli 2007
    Liebe Welt da draußen,
     
    ich spreche dich direkt an, weil man für alles ein Gegenüber braucht. Und wenn man schreiben will, dann braucht man einen Adressaten. Aber ich kann mir niemanden vorstellen. Also niemand Konkretes. Eine Welt, das ist leichter, auch wenn es sich schwerer anhört.
    Aber ganz nebenbei: Ich finde es bemerkenswert, dass ich überhaupt noch schreiben kann, so lange, wie ich’s jetzt lassen musste! Ich schätze, es müsste jetzt so ungefähr fünfzehn oder zwanzig Jahre her sein, dass ich was geschrieben habe. Was Richtiges, meine ich. Denn Unterschriften zählen ja nicht.  Und wenn Jasper wüsste, dass ich hier an seinem Tisch sitze, mit einem Bleistift in der Hand, dann würde er glatt durchdrehen!
    Er dreht ja schon durch, wenn ich bloß ein paar harmlose Schmetterlinge aus Pappe bastele. Das mache ich manchmal, zum Zeitvertreib. Denn irgendwie muss ich mich ja schließlich beschäftigen, wenn er unterwegs ist. Und da ich nun mal nicht vor die Tür darf …
     
     
    „ Ach, du Scheiße“, murmelte Winnie. „Dieser Mistkerl scheint sie tatsächlich hier eingesperrt zu haben.“
    Lübke blickte über ihre Schulter. Sie konnte seinen Atem riechen. Kaffee und Zigarillos. Von beidem zu viel. „Du meinst der Ehemann?“
    Sie nickte. „Das wäre eine Erklärung dafür, dass Lilli Dahl in den letzten dreißig Jahren von niemandem gesehen worden ist.“
    „Aber wenn sie hinter dem Rücken ihres Mannes schreiben konnte“, wandte er mit entwaffnender männlicher Logik ein. „Warum konnte sie dann nicht weglaufen?“
    Sie antwortete nicht. Ihre Augen flogen fasziniert über die engen Zeilen, denen deutlich anzumerken war, dass die Schreiberin Platz sparen wollte. Papier …
     
     
    Im Laufe der Jahre bin ich eine richtige Schmetterlingsmeisterin geworden. Jetzt im Sommer, Zum Beispiel, nähe ich Blütenblätter auf die Flügel, das dauert oft den ganzen Tag. Und an den Köpfen befestige ich getrocknete Grashalme als Fühler. Aber Jasper kann meine Schmetterlinge trotzdem nicht leiden, und wenn er einen davon in die Finger bekommt, zerdrückt er ihn.
     
     
    Winnie verzog das Gesicht.
     
     
    Wenn

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