Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
gemeldet, die möglicherweise überhaupt nicht vermisst worden wäre?
Er hätte sich einen immensen Vorsprung verschaffen können, dachte Verhoeven. Stattdessen hatte er einen Mord gestanden. Warum?
Laut sagte er: „Verraten Sie mir dann wenigstens, wie Sie es getan haben?“
„Was?“
„Ihre Frau getötet.“
Jasper Fennrichs Lippen verzogen sich zu einem abschätzigen Grinsen. „Ihr Job, das rauszufinden.“
Sicher doch, dachte Verhoeven. Vielen Dank für den Hinweis!
„Und warum haben Sie es getan?“
Noch einmal dieselbe, die alles entscheidende Frage. Immer und immer wieder von vorne. Wie eine gesprungene Schallplatte.
„Hatten Sie Streit mit Ihrer Frau? Hat sie Sie mit dem Milchmann betrogen oder Ihr Lieblings-T-Shirt zu heiß gewaschen?“
Fennrich grinste noch immer. „Sie hat mich vielleicht geärgert.“
„Und da haben Sie sie getötet?“
Jetzt schwieg er wieder und Verhoeven hatte das unbequeme Gefühl, dass etwas Endgültiges in diesem Schweigen lag. Eine Entscheidung. Der Schweiß in seinem Rücken verdichtete sich zu Tropfen, die an seine Wirbelsäule hinunter rannen und anschließend im Bund seiner Hose versickerten. Er fühlte sich ausgepowert, klebrig und zutiefst frustriert.
Er drang nicht durch.
Alles, was er versuchte, lief irgendwie ins Leere.
„Sie haben Ihre Frau umgebracht , weil sie Sie geärgert hat?“, startete er einen letzten, unmotivierten Versuch, den Alten auf der Pritsche vielleicht doch noch zum Reden zu bewegen. „Einfach so?“
Ein Nicken. Alles andere als überzeugend zwar, aber ein Nicken.
„Das nehme ich Ihnen nicht ab.“
Der Alte zog die Schultern hoch. „Ihre Sache.“
„Haben Sie sie geliebt?“
Seine Augen waren blau. Graublau. Eine tote Farbe.
„Wollen Sie mir nicht antworten?“
„Ich habe meine Frau getötet“, wiederholte Fennrich mit Nachdruck. „Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
5
Winnie Heller lehnte den Rücken gegen den froschgrünen Türrahmen und blickte der Bahre nach, auf der die sterblichen Überreste von Lilli Dahl über den staubigen Schotter vor der Hütte zum Leichenwagen getragen wurden. In einer rostigen Blechdose hatte sie ein paar persönliche Dokumente der Ermordeten gefunden: Lilli Dahls Heiratsurkunde und ihren längst abgelaufenen Reisepass. Das unscharfe Foto zeigte eine dunkelhaarige junge Frau mit weltfernem Lächeln und eigenartig erstarrten Augen, die mit der Toten auf dem Campingbett nicht das Geringste zu tun zu haben schien.
Wir werden ein Mitglied ihrer Familie bitten müssen, sie zu identifizieren, dachte Winnie und blätterte unbehaglich ein paar Seiten weiter. Keine Stempel. Keine Fernreisen. Nicht einmal ein Visum für die ehemalige DDR.
Sie war ganz offenbar nicht viel herumgekommen, die Frau, von der Jasper Fennrich behauptete, dass sie Lilli Dahl war. Und warum sollte er in diesem Punkt lügen? Winnie seufzte und verjagte eine Fliege, die sich auf ihren Arm gesetzt hatte. Kein Mensch würde zugeben, einen Mord begangen zu haben, aber lügen, was die Identität seines Opfers betrifft, dachte sie. Genauso wenig wie jemand behaupten würde, dass er seine Frau getötet hat, wenn das gar nicht stimmte. Oder doch?
„ Hey, Winnie“, riss die vertraute Stimme von Hermann-Joseph Lübke sie aus ihren Gedanken.
Der Leiter der kriminaltechnischen Abteilung, war persönlich erschienen, um den Tatort in Augenschein zu nehmen. Angeblich war arbeitstechnisch gerade wenig los. Doch das hatte in Winnies Ohren verdächtig nach einer Ausrede geklungen.
„Was gibt’s denn ?“
„Hier ist was, das du dir ansehen solltest.“
Sie kehrte in die Hütte zurück und fand Lübkes massige Gestalt am Boden kniend. Sie spielten alle zwei Wochen zusammen Poker und waren seit ein paar Monaten per „Du“, ohne sich durch die intimere Anrede nennenswert näher gekommen zu sein. Doch das fand Winnie im Grunde eher beruhigend. Ihr stand nicht der Sinn nach Nähe, und Lübke war ganz und gar nicht ihr Typ mit seinen hansalbersblauen Augen und den schrankbreiten Schultern, mit denen er wie ein in die Jahre gekommener Catcher wirkte. Außerdem war er mit seinen dreiundfünfzig Jahren ohnehin viel zu alt für sie. Er war ganz einfach der nette Kollege, der sie nach Hause brachte, wenn sie nach dem Pokern zu müde oder zu betrunken war, um noch Auto zu fahren – nicht mehr und nicht weniger. Allerdings glaubte sie sich schemenhaft daran zu erinnern, dass sie ihm bei einer dieser Gelegenheiten
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