Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
Kindersocke geraten?“
„Wie ich bereits sagte“, entgegnete Fennrich, „ich weiß es nicht.“
„Und warum, zum Teufel, fangen Sie nicht langsam mal an, sich ein paar plausible Erklärungen auszudenken?“, versetzte Verhoeven. „Sie werden nämlich welche brauchen, spätestens wenn der Staatsanwalt Sie wegen dieser Sockengeschichte in die Mangel nimmt.“ Er biss sich auf die Lippen und sah zur Uhr über dem Eingang.
Er verschwendete seine Zeit.
Ninas Zeit …
Der Alte war seinem Blick gefolgt. „Haben Sie was Besseres vor?“
Ertappt, dachte Verhoeven. Und ja: Ich habe etwas Besseres vor als mich vor einem sturen alten Eremiten, der sich partout nicht helfen lassen will, zum Idioten zu machen! Ich habe ein Kind, das auf mich wartet. Ein Kind, das heute Geburtstag hat. Und dessen Leben gerade erst beginnt. Laut sagte er: „Vielleicht.“
„ Klasse. Warum lassen Sie mich dann nicht endlich in Ruhe?“
Verhoeven schenkte ihm ein mattes Lächeln. „Weil es mein Job ist, Sie nicht in Ruhe zu lassen.“
„Scheißjob“, knurrte der Alte.
„Ja, manchmal“, stimmte Verhoeven ihm zu. „ Haben Sie eigentlich gewusst, dass Ihre Frau als Kind misshandelt wurde?“
Er hatte sich gut im Griff, aber es gelang ihm dennoch nicht ganz, seine Überraschung über diesen abrupten Themenwechsel zu verbergen. „Wer sagt das?“
Genau dieselbe Frage hat Lillis Vater uns auch gestellt, dachte Verhoeven. „Niemand . Das hat die Obduktion ergeben.“
„Aha.“ Fennrich nickte kaum merklich vor sich hin, und für einen flüchtigen Augenblick hatte Verhoeven den Eindruck, es läge etwas wie Erleichterung in diesem Nicken.
Aber worüber? Darüber, dass es auf einmal um Misshandlungen aus Lillis Kindheit ging und nicht länger um den Strumpf eines verschwundenen Mädchens? Oder empfand Fennrich am Ende gar Erleichterung darüber, dass seine Frau bereits irgendjemandes Opfer gewesen war, lange bevor sie geheiratet hatten?
Verhoeven stand auf und holte zwei Kaffee aus dem Automaten an der Wand. „Mit Milch oder schwarz?“, fragte er, als er mit den beiden Bechern zum Tisch zurückkehrte.
„Milch.“
Er schob Fennrich den volleren der beiden Plastikbecher hin. Der Alte trank einen Schluck und behielt das Gefäß anschließend in den Händen, fast so, als würde er an diesem glühend heißen Tag frieren.
Verhoeven beobachtete ihn. Seine Hände, die dünn und abgearbeitet waren und entfernt an die Klauen eines Tieres erinnerten. „Was für ein Mensch war Ihre Frau, als Sie sie kennen lernten?“
Der Alte starrte auf das blitzsaubere Linoleum zu seinen Füßen und schwieg.
Zwecklos, dachte Verhoeven. Ich vergeude meine Zeit. Und das, obwohl ich längst zu Hause sein müsste. Zusammen mit einem Hund, der die passende Größe und das passende Alter hat, um sowohl meiner Frau als auch meiner Tochter zu gefallen. Und den du nie finden wirst, weil du dich nicht rechtzeitig genug darum gekümmert hast, setzte er in Gedanken hinzu. Weil du gelogen hast, um dir den ironischen Blick deiner Frau zu ersparen. Jenen Blick, der dir klar macht, dass du wieder einmal versagt hast. Dass du nichts von all dem, was du tust, wirklich richtig gut machst. Dass du ein schlechter Vater bist, der nicht backen kann und der nie Zeit hat. Das letzte, was du sein willst …
Er sah wieder Fennrich an und empfand wieder diese unsinnige Wut. Darüber, dass fremde Menschen wie Jasper Fennrich ihn vom Leben abhielten. Seine Gedanken mit ihren Problemen infiltrierten. Seine Energie stahlen, seine Zeit. „Haben Sie übrigens von dem Mädchen gehört, das bis heute früh verschwunden war?“, fragte er, mehr der Vollständigkeit halber als aus echtem Interesse.
Wie in Zeitlupe hob der Alte den Kopf. „Was?“
Entweder er hat tatsächlich keine Ahnung oder er ist ein exzellenter Schauspieler, dachte Verhoeven. „Die Kleine ist vier Jahre alt.“ Er wusste nicht, warum er das erwähnte. Vielleicht, um einen Vorwand zu haben, auf eine andere Sache zu sprechen zu kommen, die ihm am Herzen lag. Auf ein anders Mädchen. „Halb so alt wie Edda Bender.“
Fennrich starrte ihn einen Moment lang mit ausdrucksloser Miene an. Dann stellte er seinen Kaffeebecher auf den Tisch, der sie trennte.
„Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?“, insistierte Verhoeven. „Sie erinnern sich doch an Edda Bender, nicht wahr?“
Der Alte antwortete nicht. Aber er sah auf einmal aus, als sei ihm übel.
„Sie verschwand fast auf den Tag genau vor
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