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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst, was dem Mädchen, nach dem die Polizisten so fieberhaft suchten, zugestoßen war?
    „Du musst ziemlich gute Nerven gehabt haben, Lilli“, stellte sie halblaut fest, während sich ihre Augen an einer roten Kinderschaukel festkrallten. Sie selbst hatte erst während der Therapie gelernt, wie man richtig log. Vorher war sie eine erbärmlich schlechte Lügnerin gewesen, und ihre Eltern hatten jede noch so kleine Verstellung sofort durchschaut. „Aber du warst richtig abgebrüht, was?“
    Ich war wieder im Wald …
    „Oh ja, ich weiß“, versetzte Winnie. „Und ich gäbe verdammt viel darum, zu wissen, was du dort gesehen hast!“
    Hatte Lilli Dahl als Kind tatsächlich einen Mord beobachtet? Oder doch zumindest eine Entführung? Hatte sie einfach verdrängt, was sie gesehen hatte, so wie sie auch die Misshandlungen ihrer Kindheit verdrängt hatte? Die Treppenstürze und Tabletten und Heckenscheren?
    Ich war wieder im Wald .
    Alpträume, dachte Winnie. Der Verstand blendet belastende Erinnerungen aus. Zurück bleibt ein Loch, ein dunkler Fleck. Aber irgendwann tritt das, was hinter der Dunkelheit ist, wieder zutage. Was das anging, hatte ihr allwissender Dr. Zilcher tatsächlich recht. Sie richtete sich auf und stemmte die Hände gegen das Steuer. Hatte der alte Schmerz Lilli Dahl schließlich und endlich doch noch eingeholt? Und was war mit dieser Lobotomie? Was, wenn am Ende vielleicht doch Lilli und nicht Lorna diejenige gewesen war, die lobotomiert werden sollte? Ja, spann Winnie den Gedankengang weiter, vielleicht war dieses ganze Vorhaben ja auch ein Versuch, die belastenden Erinnerungen, die Lilli mit sich herumschleppte, ein für allemal zu löschen.
    Aber um welche Erinnerungen ging es hier? Die aus dem Wald?
    Oder doch eher die anderen?
    Sie zog ein Taschentuch heraus und tupfte sich einen Film feiner Schweißperlen von der Oberlippe. Dann strich sie ihre völlig zerknitterte blau-weiß gestreifte Bluse glatt, stieg aus dem Wagen und ging auf die solide, mit einem hübschen Bleiglaseinsatz versehene Haustür zu.
    Hannah Bender öffnete so prompt, dass sich Winnie der Verdacht aufdrängte, sie habe bereits hinter der Tür gestanden und gewartet.
    Eddas Mutter war eine untersetzte Frau mit dichtem, braunem Haar, das kaum graue Strähnen aufwies, obwohl sie die Sechzig bereits seit geraumer Zeit überschritten haben musste. Ein seltsamer Ausdruck stahl sich in ihre Augen, als Winnie ihr routinemäßig ihren Dienstausweis zeigte, und voller Schreck erkannte Winnie, dass es sich dabei um Hoffnung handelte.
    Sie glaubt tatsächlich, dass wir Edda gefunden haben, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie denkt, ich bringe ihr ihre kleine Tochter zurück. Sag es ihr, pochte es hinter ihrer Stirn, während sie Hannah Bender in ein großes, aber über Gebühr vollgestopftes Wohnzimmer folgte. Sag ihr, dass du nicht gekommen bist, weil ihr neue Erkenntnisse habt. Sag ihr, dass sie aufhören soll, dich so erwartungsvoll anzustarren. Sag ihr, dass sie ihre Tochter niemals wiedersehen wird.
    „Möchten Sie etwas trinken?“
    Winnie nickte. Die allgegenwärtige Frage in diesen Tagen. „Ein Glas Wasser wäre prima.“
    Hannah Bender deutete einladend auf eine wuchtige Ledercouch und verschwand dann irgendwo im Haus, während Winnie auf dem Sofa Platz nahm.
    Obwohl die Rollläden nur zur Hälfte herabgelassen waren, wirkte das Zimmer düster. Über dem Kamin hing dasselbe Foto, das sie in der Akte gesehen hatte. Edda im cognacfarbenen Pulli. Die Aufnahme war vergrößert worden, so dass das Mädchengesicht etwa dieselben Maße aufwies, die es in Natura gehabt haben musste.
    Winnie betrachtete die scheuen, aber wachen und intelligenten Augen und fragte sich, wie der Mann, der Edda entführt und vielleicht auch getötet hatte, es angestellt haben mochte, dieses ausgeschlafene Kind in den Wald zu locken. Oder hatte er die Kleine erst in den Wald gebracht, als sie bereits tot gewesen war?
    Winnie ließ ihre Blicke über die Wand schweifen.
    Rings um das lebensgroße Foto waren weitere Aufnahmen gruppiert, Schnappschüsse. Jeder einzelne von ihnen zeigte Edda, die verschwundene Tochter, und unwillkürlich ertappte sich Winnie dabei, wie sie nach einem zweiten Mädchengesicht suchte. Immerhin hatten die Benders zwei Töchter gehabt: Edda und Rosemarie. Eben jene Rosemarie, die laut Lilli Dahl das schönste Mädchen auf Erden gewesen war …
    Doch in diesem Zimmer existierte nur Edda. Edda,

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