Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
in ihm aufstieg.
» Ich weiß nicht, wie du auf solche Ideen kommst, Frank«, stieß er hervor. » Aber ich bin kein Zeilenschinder, der nur auf Sensationen aus ist. Ich habe im Laufe der Jahre so viele Soldaten bluten und sterben sehen wie du. Der einzige Unterschied zwischen uns ist, dass ihr die Wunden verursacht. Und die zeige ich der Welt.«
Es traf wohl ins Schwarze. Doch statt den Köder zu schlucken, breitete sich ein Lächeln auf Shermans Gesichtszügen aus.
» Das wollte ich hören, mein Freund«, sagte er. » Wenn du willst, kannst du dir den beschissenen Sturm hier ansehen. Meinen Segen hast du.«
Denton war sprachlos. Nach den anderen Kommentaren des Generals hatte er das nicht erwartet.
» Danke, Frank«, brachte er heraus.
» Keine Ursache.« Sherman paffte an seiner Zigarre. » Nur noch eins, bevor du an die Front zurückkehrst.«
» Ja?«
» Eines möchte ich klarstellen. Es wird immer Leute geben, die bereit sind, alles zu tun, um ihre Mitmenschen seelisch und körperlich zu verletzen. Zu denen gehöre ich nicht. Ich bin hier, um die Sünder zu verletzen, nicht die Unschuldigen.«
Denton gelang ein Lächeln. Dann sagte er: » Die Leute, mit denen wir es heute Nacht zu tun kriegen werden, sind aber alle Sünder.«
» Es ist eine einmalige Situation, mein Freund«, sagte Sherman. » Da kann man nichts dran machen.«
» Kein moralisches Dilemma?«
» Nein«, sagte Sherman. » Der Feind hat sie eingezogen. Es gibt nur einen richtigen Handlungsweg: Töte oder werde getötet.«
» Dann werden wir sie töten«, sagte Denton. » Und dann kann Gott die Spreu vom Weizen trennen.«
21 . 02 Uhr
Mit dem lauten Summen gesteuerter Hochspannung schalteten sich die Scheinwerfer am Westufer des Suezkanals ein und erhellten die Front mit flackerndem, gespenstisch weißem Licht.
Unter den Scheinwerfern duckten sich die Soldaten in ihre Schützenlöcher. Ihre Waffen waren aufs andere Ufer gerichtet. Im diffusen Licht waren sich bewegende Gewehrläufe zu sehen. Die Front erstreckte sich in beiden Richtungen in die Finsternis hinein. Niemand sagte ein lautes Wort, doch hier und da waren geflüsterte Anfragen zu vernehmen.
» Wo sind sie denn?«
» Die werden schon noch kommen.«
» Halt die Augen auf.«
» Hat jemand was zu Rauchen?«
» Zigaretten können töten, Mann.«
Ein neues Geräusch übertönte das Summen des Stroms– der Klang ferner Hubschrauberrotoren, die die Nachtluft durchschnitten. Sie kamen näher. Einige Soldaten schauten zum Himmel hinauf, kniffen die Augen zusammen, blickten an den hellen Scheinwerfern vorbei und versuchten die Position der Maschinen auszumachen.
Mit einem schauerlichen Brüllen flogen zwei Hubschrauber über die Front der Verteidiger in Richtung östlicher Wüste. Sie kreisten in Sichtweite. Eine der Kisten war ein klotziges riesiges Ding, das langsamer war als die andere. Sie war aber kaum weniger tödlich. Die UH -1 schaltete ihre eigenen Scheinwerfer ein und versuchte irgendwo am Boden, außerhalb der Sichtweite der Soldaten, am Kanalufer etwas einzufangen.
» Was machen die da?«, fragte jemand.
» Ruhig«, sagte ein anderer. » Passt auf.«
Der zweite Hubschrauber war so schwarz gestrichen wie die Nacht, in der er sich bewegte. Er war wie ein schmaler, bösartiger Umriss, der seine Position beibehielt, aber tiefer ging, wobei er der Front das Heck zuwandte.
» Was macht der Apache da? Wollen die landen?«
Der Klang einer verstärkten Stimme dröhnte durch das Dunkel. Der Pilot des Apache-Hubschraubers sprach zu jemandem, der sich am Boden befand.
» Zivilist! Sie dringen in eine Eindämmungszone vor. Wenn Sie weiterfahren wollen, müssen Sie sich zuvor einer Dekontamination unterziehen. Halten Sie das Fahrzeug an und steigen Sie aus!«
Der Huey-Hubschrauber hatte seine Scheinwerfer auf etwas gerichtet, das sich hinter einer Düne befand. Die Soldaten an der Front rührten sich nun unruhig und neugierig, denn sie wollten wissen, was da vor sich ging.
Der Apache wich in der Luft zurück, veränderte die Position seiner Waffen jedoch nicht. Auf was immer sie auch gerichtet waren– es bewegte sich.
» Zivilist! Anhalten! Sie dringen in eine Eindämmungszone ein! Halten Sie sofort an! Dies ist die letzte Warnung!«
Nun hörten die Soldaten an der Front ein neues Geräusch: Das Gebrumm eines Dieselmotors drang an ihre Ohren. Das Knirschen einer Gangschaltung folgte. Irgendwer fuhr auf sie zu. Sie machten sich schussbereit.
Der Apache-Hubschrauber
Weitere Kostenlose Bücher