Die Jangada
Hollands und Frankreichs wären hier vielleicht zu fürchten. Solche giebt es aber doch nur in beschränkter Anzahl; sie schweifen in schwachen Trupps durch die Wälder und Savannen; die Jangada war jedoch genügend mit Vertheidigungsmitteln versehen, um jeden Angriff solcher Waldläufer erfolgreich abzuweisen.
Uebrigens befanden sich längs des Amazonenstromes zahlreiche Militärposten, Städte, Dörfer und Missionen in Menge. Der Wasserlauf strömt keineswegs durch eine Wüstenei, sondern durch ein Gebiet, welches sich von Tag zu Tag mehr besiedelt. An eine Gefahr, wie oben angedeutet, war also hier nicht zu denken, denn ein Angriff war kaum zu befürchten.
Zur Vervollständigung des Bildes der Jangada haben wir nun blos noch von zwei sehr verschiedenen Baulichkeiten zu reden, welche dazu beitrugen, ihr einen besonders merkwürdigen Anblick zu verleihen.
Ganz vorn befand sich das Häuschen des Steuermannes. Wir sagen vorn, nicht hinten, wo der Platz des Letzteren doch gewöhnlich ist. Unter vorliegenden Umständen hätte man aber ein gewöhnliches Steuerruder gar nicht gebrauchen können. Auch sehr große Ruder blieben bei der außergewöhnlichen Länge des Trains wirkungslos, selbst wenn diese von hundert kräftigen Armen gehandhabt worden wären. Man hielt die Jangada vielmehr seitlich durch lange Stacken oder Spieren, die gegen den Grund gestemmt wurden, in der Strömung oder führte sie dahin zurück, wenn sie abgewichen war. Auf diese Weise konnte man dieselbe dem einen oder anderen Ufer nähern, wenn aus irgend einem Grunde angehalten werden sollte. Drei bis vier Ubas und zwei vollständig ausgerüstete Piroguen befanden sich an Bord und vermittelten eine bequeme Verbindung mit den Ufern. Die Aufgabe des Steuermannes bestand eigentlich nur darin, das Fahrwasser aufzusuchen, die Abweichungen der Strömung zu erkennen und Wasserwirbel zu vermeiden, sowie die Buchten und anderen Stellen zu bezeichnen, an denen man bequem anlegen konnte; hierzu mußte er seinen Platz bei der gewaltigen Länge des Floßes an dessen Vordertheile einnehmen.
Wenn der Steuermann den materiellen Director der ungeheueren Maschine – ist das nicht die richtige Bezeichnung für unsere Jangada? – vorstellte, so lag die geistliche Oberleitung in der Hand eines anderen Mannes, nämlich des Padre Passanha, der bisher der Mission Iquitos vorstand.
Der jetzt siebzig Jahre zählende Padre Passanha war ein höchst rechtschaffener, für seinen geistlichen Beruf begeisterter Mann, eine ehrwürdige, herzensgute Persönlichkeit, und er erschien hierzulande, wo die Religionsdiener nicht immer lebende Tugendvorbilder sind, als der vollendetste Typus jener hochachtbaren Missionäre, welche in den verwildertsten Ländern der Civilisation so vorzügliche Dienste geleistet haben.
Ganz vorn befand sich das Häuschen des Steuermannes. (S. 87.)
In der Mission von Iquitos, deren Vorstand er war, lebte Padre Passanha schon seit fünfzig Jahren. Er hatte die Tochter des Farmers Magelhaës getraut und den jungen Beamten in der Fazenda empfangen, er hatte deren Kinder getauft, unterrichtet und hoffte auch ihrem Ehebunde noch den kirchlichen Segen zu ertheilen. Padre Passanha’s Alter gestattete ihm nicht mehr, seinen anstrengenden Verrichtungen vorzustehen. Für ihn war die Zeit herangekommen, zurückzutreten.
In Iquitos hatte auch schon ein jüngerer Missionär seine Stelle eingenommen, und er selbst beabsichtigte nach Para zurückzukehren, um dort seine Tage in einem jener Klöster zu beschließen, welche den ergrauten Dienern des Herrn Aufnahme bieten.
Welch’ schönere Gelegenheit konnte er wohl finden, den Strom hinabzureisen, als mit dieser Familie, die er fast als die seinige betrachtete? Einen darauf bezüglichen Vorschlag hatte er mit Freuden aufgenommen, und nach dem Eintreffen in Belem sollte es ihm vorbehalten bleiben, das junge Paar, Minha und Manoel, einzusegnen. Wenn Padre Passanha aber während der Dauer der Fahrt auch mit am Tische der Familie saß, so ließ es sich Joam Garral doch nicht nehmen, ihm noch eine besondere Wohnung zu erbauen, und Gott weiß mit welcher Sorgfalt Yaquita und deren Tochter sich bemühten, diese so anheimelnd und bequem als möglich einzurichten. Gewiß hatte der alte Priester sich in seiner Amtswohnung kaum je so wohl befunden.
Nun glitt die Jangada mit der Strömung dahin. (S. 93.)
Ein Pfarrhaus konnte aber dem Padre Passanha unmöglich genügen, er mußte dann auch eine Kapelle haben.
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