Die Judas-Papiere
schmollte sie, musste dann jedoch selber lachen.
Byron vergaß die Geschichte schnell wieder und sie setzten ihre Suche nach dem Templerbuch bis in den Abend fort, jedoch ohne Er folg. Weder der Anwalt noch Graf Dracula ließ sich in diesen Tages-stunden in ihrer Nähe blicken. Nur der Bucklige lief ihnen mehrmals über den Weg, schenkte ihnen jedoch keine Beachtung.
»Wenn wir das Pech haben, dass sich das Buch irgendwo ganz hin ten befindet, haben wir noch Tage vor uns, bis wir endlich darauf stoßen«, sagte Horatio am Nachmittag. Denn bis zu diesem Zeit punkt hatten sie gerade mal ein gutes Drittel der vorderen Biblio thek nach dem Folianten abgesucht.
Harriet nickte. »Aber wenn wir uns jetzt erst mal den hinteren Teil vornehmen, steht das vermaledeite Buch bestimmt irgendwo hier vorn!«
»Oder aber es handelt sich bei dem toten Templer überhaupt nicht um einen Buchtitel«, sagte Byron.
»Hast du eine Idee, was Mortimer sonst damit gemeint haben könnte?«, fragte Harriet.
»Ja, und zwar vielleicht das Grab eines toten Templers!«
Alistair schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Natürlich! Das ist doch das Naheliegendste! Wir Schwachköpfe! Warum sind wir bloß nicht gleich darauf gekommen? Wir sollten uns den Friedhof vorneh men und nachschauen, ob es da ein Templergrab gibt!«
Horatio warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Sie scheinen verges sen zu haben, wo wir uns befinden, Alistair. Rund um die Burg gibt es nur Felsgestein und deshalb auch keinen Friedhof. Tote finden wir hier nur in der Burggruft, wo immer die auch sein mag.«
Alistair zuckte die Achseln. »Ob nun Friedhof oder Gruft, es gibt jedenfalls Gräber. Und eines davon kann das eines toten Templers sein. Deshalb sollten wir uns erst mal dort gründlich umsehen, bevor wir hier noch tagelang ein verstaubtes Buch nach dem anderen aus den Regalen ziehen!«
»Das werden wir auch«, versicherte Byron. »Aber erst müssen wir wissen, wo die Gruft ist, was wir nur von Graf Dracula erfahren kön nen. Auch müssen wir zuvor seine Erlaubnis einholen. Und bis wir ihn danach fragen können, sollten wir hier weitermachen. Denn dass Mortimer mit seinem rätselhaften Hinweis ein Grab gemeint hat, ist auch nur eine Vermutung. Es könnte aber sein, dass es doch ein Buchtitel ist. Zumal der Graf ja von solch einem Templergrab in sei ner Gruft wissen müsste, was offensichtlich nicht der Fall ist.«
»Wofür es aber auch andere Erklärungen geben könnte«, wider sprach Alistair sofort.
»Zerbrechen wir uns darüber nicht den Kopf«, sagte Horatio. »Wir werden ihn fragen, und bis wir dazu Gelegenheit haben, machen wir hier erst mal weiter.«
Der Tag verdämmerte so grau und trist, wie er begonnen hatte. Als die Nacht hereinbrach, holte Bogan sie aus ihrer Arbeit. Der Bucklige gab ihnen per Zeichensprache und mit gurgelnden Lauten zu verste hen, dass im Rittersaal das Essen auf sie wartete.
Graf Dracula und auch der Anwalt hatten sich schon dort eingefun den. Beide standen an einem Seitentisch über Papiere und eine aus gerollte Karte gebeugt, die wie die Bauzeichnung eines verzweigten Gebäudekomplexes aussah. Als Byron und seine Gefährten eintra ten, unterbrachen die beiden ihre Unterhaltung, die zweifellos um eine der angebotenen Immobilien kreiste, und gesellten sich zu ih nen.
Mit ausgesuchter Freundlichkeit bat Graf Dracula sie an den gedeckten Tisch. Wie in der Nacht zuvor entschuldigte er sich, dass er nicht mit ihnen speiste, da er dies schon auswärtig getan habe. Dann erkundigte er sich, wie sie den Tag verbracht hätten und ob ihre Suche nach dem Buch mittlerweile schon von Erfolg gekrönt worden sei.
»Leider nein«, teilte Byron ihm mit. »Doch uns ist heute der Gedan ke gekommen, dass es möglicherweise ein altes Templergrab auf Burg Negoi geben könnte, das Mortimer Pembrokes besonderes In teresse geweckt hat.«
Graf Dracula runzelte die Stirn. »Ein Templergrab? Davon ist mir nichts bekannt. Aber selbstverständlich steht es Ihnen frei, sich un ten in der Gruft selbst davon zu überzeugen, dass es ein solches nicht gibt. Ich werde Bogan nachher den Auftrag erteilen, Ihnen die Tür zu den Gewölben aufzuschließen«, sagte er entgegenkommend und erklärte ihnen, welchen Weg sie nehmen mussten, um in die Gruftkatakomben der Burg zu gelangen.
Byron war, als horchte Matthew Golding in diesem Moment auf. Und zeigte sich auf seinem Gesicht nicht auch ein Ausdruck der Er leichterung?
Ihr Gespräch wandte sich danach anderen Themen
Weitere Kostenlose Bücher