Die Kalte Sofie
liebevoll.
Ein dankbares Lächeln huschte über Vanessas Gesicht. Dann wandte sie den Kopf zu Sofie und nickte kaum merklich.
»Wie heißt denn du?« Vanessas Stimme klang schwächer als ein Flüstern.
Sofie warf ihr ein betont munteres Lächeln zu und gesellte sich an Katrins Seite.
»Mein Name ist Sofie Rosenhuth. Kannst aber gern Sofie zu mir sagen, wennst magst.«
»Sofie Rosenhuth …« Vanessa ließ den Namen förmlich auf der Zunge zergehen und lächelte erneut. Diesmal zeigte sich sogar ein Paar niedliche Grübchen in ihren Wangen. »Des is aber ein schöner Name!«
Sofie schluckte und wechselte einen kurzen Blick mit Vanessas Mutter. Die Kleine war süß. Grad zum Dahinschmelzen!
In Sofies Innerem meldete sich eine ihr nur allzu bekannte Stimme: Ja, schau’s dir nur gut an, des Madl! Weißt du eigentlich, wie alt du heuer wirst? Vierzig Jahre! Und? Wie lang willst du noch warten? Die Uhr läuft, meine Liebe. Wenn du irgend wann auch die Mama von so einem goldigen Fratz werden willst, solltest du dich allmählich ranhalten!
Sofie verzog das Gesicht.
Zu einem Kind gehören bekanntlich zwei. Schon vergessen? Ich denk jedenfalls nicht im Traum daran, mich aus Torschlusspanik dem nächstbesten Kerl an den Hals zu werfen. Dann lass ich es lieber ganz.
Verdreh mir nicht ständig das Wort im Mund!, entgegnete die strenge Stimme in ihrem Kopf. Davon war nicht die Rede. Aber bitte. Wie du meinst. Erzähl mir später bloß nicht, ich hätt dich nicht gewarnt!
Sofie rollte entnervt die Augen – als sie ein zartes Stupsen an ihrem Arm spürte.
»Alles okay mit Ihnen, Frau Doktor? Sie sind ja plötzlich ganz blass?«, fragte Katrin Füracker besorgt.
Sofie blies ein widerspenstiges Haar aus ihrem Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. Vanessa und ihre Mutter konnten ja wohl am allerwenigsten etwas dafür, dass ihre biologische Uhr immer lauter tickte. Trotzdem, sie blieb dabei: Lieber kinderlos als unglücklich. Das hatte sie sich geschworen, und dabei würde es bleiben. Punkt.
»Alles bestens, keine Sorge!«
»Ich wollte Sie nämlich fragen, ob Sie kurz bei meiner Tochter bleiben könnten. Ich würd mich gern mal schnell frisch machen.«
»Natürlich. Wir zwei machen es uns einstweilen gemütlich. Stimmt’s, Nessie?« Aufmunternd zwinkerte Sofie der Kleinen zu. Die nickte leise und griff nach Sofies Hand.
»Danke!« Schon war Katrin Füracker weg.
Die Kinderhand fühlte sich warm und samtweich an. So vertraut …
Sofie hatte alle Mühe, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Jetzt ging es nicht um sie, zefix, sondern ausschließlich um das kleine Mädchen hier, das sie mit großen Augen betrachtete.
»Glaubst du, ich werd wieder ganz gesund, Sofie?«
»Aber hallo.« Sofie nickte. »Und dann gehen wir zwei ein Eis essen. Versprochen!«
Vanessas Lächeln wurde intensiver. »Au ja. Ich nehm Erdbeer und Banane. Die san mir am liebsten.«
»Du magst gern Süßes, gell?«
Vanessa nickte heftig.
Sofie betrachtete die Kleine nachdenklich. Ihr Nasenflügel begann zu kribbeln. Natürlich! Warum war sie da nicht eher draufgekommen!
»Sag mal, da auf dem Spielplatz … Hast du da auch was genascht?«
Vanessa zuckte zusammen und schaute Sofie verdutzt an. »Woher weißt du das?« Dann legte sie zögernd den Finger auf die Lippen. »Sag aber nix der Mama! Die schimpft nämlich sonst mit mir!«
Sofie hob drei Finger hoch. »Ehrenwort.«
Wie und ob sie dieses Versprechen halten könnte, war ihr zwar noch ein Rätsel, Hauptsache aber, sie erfuhr endlich, was dem kleinen Mädchen zugestoßen war.
Vanessa warf Sofie den ernsthaftesten aller Kinderblicke zu, dann gab sie sich einen Ruck: »Also, da war so ein Gutti, das war ganz, ganz toll eingepackt in ganz viel Glitzer…«
»Und das hast du dann gegessen?«
Vanessas Nicken sprach Bände. »Richtig lecker war das.«
Kein Wunder. Mit Zucker ließ sich der leicht salzige und seifige Geschmack von GHB nur allzu leicht verdecken. Das erklärte auch den hohen Glukosegehalt in Vanessas Magen unmittelbar nach dem Vorfall.
Was aber hatte eine derart appetitlich verpackte Süßigkeit mit einer solch lebensgefährlichen Füllung in der Nähe eines Kinderspielplatzes zu suchen? Sofie hatte ja die Blut- und Urinproben der Maus wie auch die von Vanessa genauestens analysiert: Nach der Konzentration zu urteilen, hätte die Dosis dieses einen Bonbons locker gereicht, nicht nur eine Maus oder ein kleines Kind, sondern auch einen Erwachsenen ins Jenseits zu befördern.
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