Die Kalte Sofie
hatte den sonst so träge dahinfließenden Fluss in einen reißenden Strom verwandelt, lustig glitzerten kleine Schaumkronen auf den Wellen. Darüber: tiefblauer Himmel ohne das kleinste Wölkchen.
Ein Tag, gerade wie aus dem Bilderbuch.
Und ausgerechnet da fiel Sofie nichts Besseres ein, als sich ihren elenden Umzugskartons zu widmen?
Entschlossen schüttelte sie den Kopf: Ja, ganz genau.
Nur kurz noch einen Milchkaffee beim Stehbäcker geholt, und dann endlich das Chaos daheim sortieren. Es wurde höchste Zeit!
Der Abstecher zur Sengmeierin stellte Sofies Disziplin allerdings auf eine weitere harte Probe: Bis auf die Humboldtstraße hinaus duftete es unwiderstehlich nach frischen Croissants und Brezn. Und das, nachdem sie sich doch hoch und heilig geschworen hatte, endlich Diät zu machen – oder wenigstens eine halbe Stunde pro Tag zu joggen.
»Magst vielleicht noch a Nusskipferl oder a resche Brezn zum Kaffee? Kommt alles grad frisch aus dem Ofen.«
Erwartungsvoll sah die alte Bäckerin Sofie an und deutete auf die reichhaltigen Kalorienbomben in ihrer Theke.
Nein, sie würde hart bleiben. Nichts und niemand würde sie davon abhalten. Auch kein verlockend süß duftendes, krosses Schmalzgebäck oder der mit Marzipan gedeckte Apfelkuchen.
Sofie atmete durch und hob entschlossen den Kopf. »Danke. Das wär’s.«
»Wiasd moanst. Kaffee kimmt glei.«
Während Sofie wartete, drang eine schrille Stimme an ihr Ohr, die ihr leider allzu bekannt vorkam.
»Seit Tagen und Wochen geht des schon so, Fanny. Du glaubst es ned!«
War das nicht ihre alte Handarbeitslehrerin, die Sofie und ihre Mitschülerinnen in der Grundschule immer bis aufs Blut drangsaliert hatte?
Ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel bestätigte Sofies schlimmste Befürchtungen. Tatsächlich.
Ausgerechnet die dürre Weidinger stand kopfschüttelnd hinter ihr am Stehtisch und ertränkte gerade den Zipfel eines Croissants energisch in ihrem Kaffee.
Wie Sofie das damals schon gehasst hatte!
»Grad wia auf der Müllkippn riachts bei uns im Treppenhaus.«
Frau Weidingers Gegenüber, eine Art Flusspferd im Trachten kostüm und damit optisch das genaue Gegenstück zu ihrer mageren Freundin, riss mitfühlend die Augen auf, während sie sich ein großes Stück Torte einverleibte.
»Ehrlich wahr? Und was sagt der Hausmeister?«
Frau Weidinger hob ratlos die Achseln. »Mei, woaßt eh, wias san, die Mannsbilder. Immer hams was Besseres zum tun. Bis es zu spät is. Irgendwas stimmt da ned, i sags dir!« Vertraulich zog sie ihre Freundin näher zu sich heran. »Dabei könnt ich schwörn, dass des aus der Wohnung unter mir kimmt. Frag mi ned, wer da wohnt – bei dene vielen Leit bei uns im Haus blickt ja koa Mensch mehr durch. Trotzdem bin ich runtergangen und hab versucht, mit dene zu redn. Aber glaubst du, da hätt jemand aufgmacht? Einfach auf stur hams gschaltet, die Deppn.«
»Da, bittschön! Dein Kaffee, Sofie.«
Hastig legte Sofie zwei Euro auf den Tisch, griff nach dem heißen Pappbecher und sah zu, dass sie wegkam, ohne von Frau Weidinger erkannt zu werden.
Beinahe allerdings hätte der melodische Klingelton ihres Handys ihr dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie stürzte hektisch vor die Tür, blinzelte in den hellen Sonnenschein und nahm das Gespräch an.
Joe!
Seine Stimme klang ernst. »Ich weiß, heut is erster Mai, und du hast eigentlich frei. Aber wenn du’s irgendwie einrichten kannst, Sofie, dann komm bitte schnell vorbei. Es is dringend!«
25
Mit Gewalt
E in kurzes Kläffen, das rasch wieder verstummte. Dann war der Kerl plötzlich über ihr.
Schwer, fleischig, mit groben Händen, die überall zu sein schienen.
Laura stieß einen lauten, zornigen Schrei aus – den das zusammengeknüllte Papiertaschentuch, das er ihr grob in den Mund stopfte, jäh erstickte.
Der Würgereiz, der ihr die Tränen in die Augen trieb, ließ ihre Gegenwehr kurz erlahmen, was sich der Mann zunutze zu machen wusste.
Er zerrte an ihrem Slip.
Sie hörte, wie der dünne Stoff zerriss, fühlte sich hilflos.
Ausgeliefert.
»Ned amal rasiert!« Seine Stimme klang enttäuscht. »Und ich hab gedacht, das seid ihr geilen jungen Fotzen jetzt alle.«
Er versuchte, ihre Beine auseinanderzudrücken. Laura strampelte wie wild, kniff die Schenkel zusammen, doch er ließ sich nicht beirren.
Wenigstens bekam sie bei dem brutalen Zweikampf die Arme wieder frei. Jetzt schlug sie ihre Nägel tief in seine entblößten Unterarme.
Schmerzerfüllt
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