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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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niemandem.«
    »Ein paar wollten mit Ihnen sprechen.«
    »Ich rede auch mit niemandem.«
    »In Ordnung. Wir haben ein Formular, das Sam unterschreiben muß. Damit werden wir schriftlich ermächtigt, den Reportern zu sagen, sie sollen sich zum Teufel scheren. Haben Sie von Naifeh gehört?«
    »Ich habe es heute morgen in der Zeitung gelesen.«
    »Er wird wieder gesund werden, aber er kann die Hinrichtung nicht leiten. Da ist ein Mann namens George Nugent, ein stellvertretender Direktor, der alles koordinieren wird. Er ist das Befehlen gewohnt. War früher beim Militär, ein richtiger Kommißhengst.«
    »Das spielt für mich keine Rolle. Er kann das Todesurteil nicht vollstrecken, solange die Gerichte es nicht zulassen.«
    »Richtig. Ich wollte nur, daß Sie wissen, was für ein Typ er ist.«
    »Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.«
    »Noch etwas. Ich habe einen Freund, einen alten Studienkollegen, der jetzt in der Administration beim Gouverneur arbeitet. Er hat mich heute morgen angerufen, und es sieht so aus, als machte sich der Gouverneur Gedanken wegen Sams Hinrichtung. Meinem Freund zufolge, der zweifellos vom Gouverneur beauftragt wurde, mir nahezulegen, daß ich mit Ihnen spreche, würe er gern mit Ihnen über ein Gnadengesuch reden, und zwar möglichst an einem der nächsten Tage.«
    »Stehen Sie dem Gouverneur nahe?«
    »Nein. Ich kann ihn nicht ausstehen.«
    »Ich auch nicht. Und mein Mandant ebensowenig.«
    »Deshalb wurde mein Freund vorgeschickt, um mich anzurufen und mich zu beknien. Angeblich hat der Gouverneur ernsthafte Bedenken, ob Sam überhaupt hingerichtet werden sollte.«
    »Glauben Sie das?«
    »Erscheint mir zweifelhaft. Schließlich hat sich der Gouverneur seinen Namen auf Kosten von Sam Cayhall gemacht, und ich bin sicher, daß er seinen Medienplan für die nächsten acht Tage bereits in der Tasche hat. Aber was haben Sie schon zu verlieren?«
    »Nichts.«
    »Es wäre keine schlechte Idee.«
    »Ich bin durchaus dafür. Aber mein Mandant hat mir die strikte Anweisung erteilt, kein Gnadengesuch einzureichen und nicht mit dem Gouverneur zu reden.«
    Mann zuckte die Achseln, als sei es ihm völlig egal, was Sam tat. »Dann liegt es bei Sam. Hat er ein Testament gemacht?«
    »Ja.«
    »Was ist mit den Vorbereitungen für das Begräbnis?«
    »Ich arbeite daran. Er möchte in Clanton begraben werden.« Sie machten sich auf den Weg zum Haupteingang. »Die Leiche wird zu einem Bestattungsinstitut in Indianola gebracht, nicht weit von hier. Dort wird sie den Angehörigen übergeben. Alle Besucher müssen vier Stunden vor dem vorgesehenen Hinrichtungszeitpunkt gehen. Danach darf Sam nur noch zwei Personen bei sich haben, seinen Anwalt und seinen geistlichen Berater. Außerdem muß er seine zwei Zeugen benennen, wenn er welche haben will.«
    »Ich werde mit ihm sprechen.«
    »Wir brauchen die von ihm genehmigte Liste seiner Besucher zwischen jetzt und dann. Es sind in der Regel Familienangehörige und enge Freunde.«
    »Das wird eine sehr kurze Liste sein.«
    »Ich weiß.«
37
    A lle Insassen des HST kannten die Prozedur, obwohl sie nie schriftlich festgelegt worden war. Die Veteranen, darunter Sam, hatten im Laufe der letzten acht Jahre vier Hinrichtungen miterlebt, und bei jeder war die Prozedur mit nur kleinen Variationen befolgt worden. Die Alteingesessenen redeten und flüsterten miteinander und belieferten die Neuankömmlinge, von denen die meisten mit wortlosen Fragen, wie es vor sich ging, im Todestrakt eintrafen, in der Regel rasch mit Beschreibungen der letzten Stunden. Und die Wärter redeten gern darüber.
    Die letzte Mahlzeit wurde in einem kleinen Raum nahe der Vorderfront des Traktes eingenommen, der einfach das vordere Büro genannt wurde. Darin gab es einen Schreibtisch und ein paar Stühle, ein Telefon und eine Klimaanlage. In diesem Raum empfing der Verurteilte auch seine letzten Besucher. Er saß da und hörte zu, wie seine Anwälte ihm zu erklären versuchten, weshalb sich die Dinge nicht so entwickelt hatten wie geplant. Es war ein schlichter Raum mit vergitterten Fenstern. Auch das letzte Beisammensein mit der Ehefrau fand hier statt, falls dem Insassen danach zumute war. Vor der Tür standen Wärter und Verwaltungsbeamte herum.
    Der Raum war nicht für die letzten Stunden vorgesehen gewesen, aber als Teddy Doyle 1980 als erster seit vielen Jahren hingerichtet werden sollte, wurde plötzlich ein solcher Raum für eine ganze Reihe von Zwecken gebraucht. Früher einmal hatte

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