Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
Vom Netzwerk:
Teil
    dieses verdammten Krieges zu sein. Es überraschte ihn nur, dass
    er keine Furcht empfand. Vielleicht kam das ja später.
    »Wir fliegen jetzt über feindliches Gebiet«, verkündete der
    Flight Lieutenant, als ob sie nur eine verkehrsreiche Straße
    überquerten.
    »Können Sie mich hören, Ground Leader?«
    Es knackte in der Leitung, dann sagte eine Stimme: »Ich höre
    Sie, Blackbird One. Wie lautet Ihre Position?« Nat erkannte den
    Südstaatendialekt von Captain Dick Tyler.
    »Wir sind ungefähr fünfzig Meilen südlich von Ihnen.«
    »Verstanden. Erwarte Rendezvous in fünfzehn Minuten.«
    »Roger. Sie werden uns erst im letzten Moment sehen, weil
    wir alle Außenlichter ausgeschaltet haben.«
    »Verstanden«, antwortete dieselbe Stimme.
    »Haben Sie einen möglichen Landeplatz ausfindig gemacht?«
    »Es gibt eine kleine, geschützte Stelle auf einem Kamm etwas
    unterhalb von uns«, erwiderte Tyler. »Aber dort kann immer nur
    ein Helikopter auf einmal landen. Und wegen des Regens, ganz
    zu schweigen von dem Schlamm, könnte sich die Landung als
    verdammt schwierig erweisen.«
    »Wie lautet Ihre gegenwärtige Position?«

    153
    »Ich befinde mich immer noch im selben Raster, etwas
    nördlich des Dyng River.« Tyler schwieg kurz. »Und ich bin mir
    ziemlich sicher, dass der VC gerade den Fluss überquert.«
    »Wie viele Männer sind bei Ihnen?«
    »Achtundsiebzig.« Nat wusste, dass die volle Zahl zweier
    Züge aus sechsundneunzig Männern bestand. »Wie viele
    Leichen?«, fragte der Flight Lieutenant, als ob er sich
    erkundigte, wie viele Eier der Captain zum Frühstück wünsche.
    »Achtzehn.«
    »Okay. Halten Sie sich bereit, sechs Männer und zwei Leichen
    in jeden Helikopter zu laden. Und sorgen Sie dafür, dass sie im
    selben Augenblick an Bord klettern, in dem sie mich sehen.«
    »Wir sind bereit«, erklärte der Captain. »Wie spät haben Sie
    es?«
    »Zwanzig Uhr dreiunddreißig«, antwortete der Flight
    Lieutenant.
    »Dann werde ich um zwanzig Uhr achtundvierzig eine rote
    Leuchtrakete abschießen.«
    »Eine rote Leuchtrakete um zwanzig Uhr achtundvierzig«,
    wiederholte der Flight Lieutenant. »Roger and out.«
    Nat war beeindruckt, wie ruhig der Flight Lieutenant zu sein
    schien, wo doch er und sein Co-Pilot sowie beide Heckschützen
    in zwanzig Minuten tot sein konnten. Aber wie Colonel Tremlett
    immer wieder gesagt hatte, wurden mehr Leben durch ruhige
    Männer gerettet als durch tapfere. In den nächsten fünfzehn
    Minuten sprach keiner ein Wort. Dadurch hatte Nat Zeit, um
    über die Entscheidung, die er gefällt hatte, nachzudenken:
    Würde er in zwanzig Minuten ebenfalls tot sein?
    Nat verlebte anschließend die längsten fünfzehn Minuten
    seines Lebens, starrte hinaus auf den dichten, nur vom
    Halbmond beleuchteten Dschungel. Es wurde Funkstille
    gewahrt. Er sah wieder nach hinten zu den Heckschützen,

    154
    während der Helikopter knapp über den Baumwipfeln flog. Sie
    hatten bereits ihre Waffen im Anschlag, die Daumen am Abzug,
    bereit für alle Eventualitäten. Nat sah aus einem Seitenfenster,
    wie plötzlich eine rote Leuchtrakete in den Himmel schoss.
    Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, dass er um diese Zeit
    eigentlich Kaffee in der Offiziersmesse getrunken hätte.
    »Hier Blackbird One an alle«, brach der Pilot die Funkstille.
    »Die Bodenlichter erst bei dreißig Sekunden vorm Rendezvous
    einschalten. Und denkt daran, ich gehe als Erster runter.«
    Grün flammten Kugelsalven vor dem Cockpit auf. Sofort
    erwiderten die Heckschützen das Feuer.
    »Der VC hat uns entdeckt«, stellte der Flight Leader lapidar
    fest. Er tauchte seinen Helikopter in die Nacht und zum ersten
    Mal sah Nat den Feind. Der VC rückte auf einen Hügel vor, der
    nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt lag, an der ihr
    Helikopter landen würde.

    *

    Fletcher las den Artikel in der Washington Post. Er handelte von
    einer heldenhaften Episode, die in einem Krieg, von dem
    niemand etwas wissen wollte, die Fantasie der amerikanischen
    Öffentlichkeit angeregt hatte. Eine Gruppe von achtundsiebzig
    Infanteristen, die im nordvietnamesischen Dschungel von einem
    zahlenmäßig überlegenen Vietcong eingekesselt worden war,
    konnte von einer Flotte Helikopter gerettet werden, die unter
    Beschuss des Feindes über gefährliches Terrain geflogen war
    und nicht hatte landen können. Fletcher betrachtete die
    Detailzeichnung auf der gegenüberliegenden Seite. Flight
    Lieutenant Chuck Philips war der Erste

Weitere Kostenlose Bücher