Die Karriere-Bibel
eine Dame in einer Rotlichtbar fragen, was sie beruflich macht, wird sie antworten: Tänzerin. Das ist gelogen. Aber
Sie wissen das und die Dame sowieso, deswegen geht das in Ordnung. Eine gute Verpackung gehört zu jedem Gewerbe – auch zum
horizontalen. Alles wird nach seinem Äußeren beurteilt: Bücher genauso wie Menschen. Wer aufsteigen will, muss deshalb auffallen,
sich von der Masse abheben. Nur so unterstellen einem die Leute, Wunder vollbringen zu können. Von Durchschnittstypen erwarten
sie bloß Mittelmaß.
Die Fertigkeit, heller zu leuchten als andere, wird keinem angeboren. Man kann und muss sie lernen. Es geht darum, sich selbst
zu inszenieren und sich einen Namen zu machen. Das gelingt zum Beispiel, indem man seine Erscheinung gezielt mit einem bestimmten
Image verknüpft – einem Charakterzug, den man heraushebt, einem bestimmten Arbeitsstil, den man pflegt. Hauptsache, es beeindruckt
die Leute und sie reden darüber. Und glauben Sie mir: Insgeheim will jeder ein Schauspiel sehen. Menschen lieben Attraktionen,
Sensationen, Illusionen. Sie sehnen sich nach Rätseln, Leuten und Dingen, die sich nicht sofort erklären oder konsumieren
lassen, weil die Welt um sie herum immer banaler, profaner und uniformer wird. Die Qualität der Aufmerksamkeit ist dabei nahezu
egal. Viele meinen, Kritik sei etwas Schlechtes. Falsch! Nichts ist schlimmer, als ignoriert zu werden. Solche Leute sind
peripher.
Wer noch unten steht in der Hierarchie, kann freilich auch jene Personen angreifen, die im Rampenlicht stehen. Nachwuchspolitiker
und Hinterbänkler greifen traditionell zu dieser Taktik. Ihre eigene, bescheidene Reputation bietet kaum Angriffsfläche für
eine Gegenattacke. »Eine Mücke kann dem Löwen mehr zu schaffen machen als der Löwe einer Mücke«, wusste Lucius Annaeus Seneca.
Was jedoch nicht heißt, dass man damit inflationär umgehen kann. Sonst ist man schnell als Wadenbeißer und Wichtigtuer verschrien.
Und dann ist das Spiel aus, ehe es richtig angefangen hat.
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|381| 8. November
Leicht fertig – Das Geheimnis der Sprezzatura
Dieses Buch schrieb ich in drei Monaten, bei erstklassigem Rotwein und erquicklichen Gesprächen mit Kollegen, Freunden und
meiner Agentin. Es war ein einziges Vergnügen. Glauben Sie nicht? Etwas anderes werden Sie von mir aber nicht hören. Ich wäre
mit dem Klammersack gepudert! Egal, wie viel Plackerei, egal, wie viel Erfahrung und wie viele Tricks hinter einem Produkt
stecken, wie hart man dafür arbeiten musste – es sollte ein Geheimnis bleiben. Je schwerer es war, desto leichter muss es
aussehen! Wir vergöttern nun mal die Tausendsassas; wir bewundern das Sangestrio, das aus dem Stegreif eine mehrstimmige Motette
trällert; wir lieben Magier, die uns mit Kunststücken verzaubern. Nur dürfen die Illusionisten dabei bitte schön nicht schwitzen
oder uns hernach erzählen, wie viele Stunden Fleiß und harte Arbeit dafür nötig waren. Instinktiv sinkt sofort unsere Achtung.
Denn nun wissen wir: Jeder, der ebenso viel übt, übt, übt, kann dasselbe erreichen. Wie ordinär!
Jeder, wirklich jeder, der erfolgreich im Rampenlicht agiert, hat sich gründlich vorbereitet, ehe er die Bühne betritt. Wer
etwas anderes behauptet, macht es richtig – mogelt aber. Seine Mühen muss man für sich behalten, egal, wie groß die Versuchung
ist, egal, wie sehr es der Eitelkeit schmeicheln würde, wenn andere unsere Vorbereitung, Strategie und Cleverness beklatschen.
Je mehr einer über zu wenig Zeit, zu viel Arbeit und über seine Opfertat stöhnt, desto uninteressanter macht er sich. Er ist
nichts weiter als ein armer Sterblicher. Vermutlich sogar ein inkompetenter. Wer dagegen seine Tricks und die inneren Mechanismen
seiner Schöpfung verschweigt, der erzeugt etwas, das größer ist als Menschenwerk. Im Buch vom Hofmann, das Baldassare Castiglione
1528 veröffentlichte, beschrieb er die höchst elaborierten Manieren des perfekten Höflings. Der müsse, so Castiglione, alles
mit
Sprezzatura
ausführen, mit Leichtigkeit und Lässigkeit. Warum? Weil es Ehrfurcht auslöst. Das Geheimnis, seine Kunstfertigkeiten zu wahren,
muss stets etwas Spielerisches behalten. Tricks mit zu viel Eifer verbergen machen nur unsympathische Raffkes. Bewahren Sie
sich also immer einen Schuss Selbstironie. Und ein Glas erstklassigen Rotwein. Cheers!
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|382| 9. November
Wahlzeit – Schaffen Sie zum Schein
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