Die Karriere-Bibel
höchstem Niveau. Keiner
schwenkt den Kelch so gekonnt, taucht seine Nase so tief in das bauchige Glas, saugt mit so seelenwunder Miene das Bouquet
in seine Stirnhöhle, nippt so entrückt einen Schluck, um ihn noch eine Weile in seiner Mundhöhle weiter zu schwenken, dabei
gelegentlich zu inhalieren und den Tropfen schließlich in Zeitlupe zu versenken. Der anschließende Kommentar ist eine Mischung
aus Brombeere, Lakritz, Cassis, durchflutet mit Nuancen von Pfeffer – oder Briefmarke.
Vergessen Sie Golf, mit Wein beeindrucken Sie mehr! Wer mit derlei Brimborium feinsinnigen Geschmack und Durchblick suggeriert,
hat die volle Bewunderung auf seiner Seite. Wer dazu noch Rebsorten, Anbaugebiete und erlesene Weine plus deren bessere Jahrgänge
unterscheiden kann, genießt selbst die Anerkennung von Sommeliers. Keine Frage, das ist ein absurd eitler Ritus. Aber das
ist seinen Porsche auf Behindertenparkplätzen abzustellen auch. Nur dass Weinwählen die größere intellektuelle Leistung erfordert.
Natürlich gibt es Grenzen. Bei aller Liebe zur Weinkunde und Inspiration sollte man seinen Chef dabei nicht wie einen unkultivierten
Banausen aussehen lassen (selbst wenn er das ist). In diesem Fall halten Sie sich besser zurück und beeindrucken lieber Kollegen |387| und Kunden. Ansonsten aber ist Weinkenntnis heute für jeden unumgänglich, der sich zu Höherem berufen fühlt. Wein atmet Geschichte.
Und mit jedem Schluck bekennt sich der bewusste Kenner und Genießer dazu. Er dokumentiert Bodenständigkeit, Selbstbewusstsein,
Feingefühl, Stil, Geschmack, Geist und neuerdings eben auch Zeitgeist. Wählt er gar einen besonders teuren Tropfen, zeigt
er darüber hinaus Großzügigkeit, Wohlstand und Noblesse. Mal ehrlich, so jemand kann kein schlechter Mensch sein, geschweige
denn ein schlechter Manager. Den muss man einfach einstellen. Und selbst wenn er ein Pfeife ist, wer will das wissen? Der
Typ hat Geschmack!
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14. November
Nichts für ungut – Undank ist ein Karrierekiller
Es ist Weihnachten 1973. Und es ist
Dallas in Ostwestfalen
(›Die Welt‹). Bei der Familie Benteler liegt ein ganzes Unternehmen auf dem Gabentisch. Vater Helmut schenkt seinem Sohn Rolf-Peter
einen 80-Prozent-Anteil an den Benteler-Stahlwerken in Bielefeld. Allerdings bleibt er noch etwas auf dem Chefsessel hocken.
Fünf Jahre lang. Das stört den Filius. Also widerruft er eine Vereinbarung, die seinem Paps den Chefposten sichert, und verpfeift
dessen heimliche Auslandsimmobilien an die Steuerfahndung. Sein alter Herr muss knapp 15 Millionen Euro Steuern nachzahlen.
Deshalb fordert er sein Unternehmen zurück – zu Recht, urteilte der BGH am 2. Juli 1990. Wegen
groben Undanks
. Der ist nach Paragraf 530 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein trefflicher Grund, um Geschenke zurückzufordern.
Undank kostet. Manchmal sogar die Karriere. Damit ist nicht das fehlende
Dankeschön
gemeint, falls der Kollege einen Kaffee ausgibt oder die Tür aufhält. Bei Undank geht es um mangelnde Erkenntlichkeit.
Selbst Genies sind bisweilen auf die Hilfe anderer angewiesen. Sei es, dass diese sie mit nützlichen Informationen versorgen,
sie rechtzeitig warnen oder aktiv protegieren. Je mehr Mentoren einer hat, desto besser. Ein funktionierendes Beziehungsnetz
wirkt wie ein |388| Karriereturbo. Es wird aber auch leicht zum Killer, wenn man es sich mit seinen Kontakten verscherzt. Kein Mensch erwartet
eine sofortige Gegenleistung für einen Gefallen. Nur wer diese Schuld vergisst, der betreibt Selbstsabotage erster Güte. Schon
Goethe hielt Undank für eine Schwäche: »Ich habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären.« Undank ist
kein Kavaliersdelikt, sondern der grobe Verstoß gegen ein ehernes Berufsgesetz: Eine Hand wäscht die andere.
Apropos: An dieser Stelle möchte ich mich bei allen für ihre Unterstützung auf dem Weg zu diesem Buch bedanken. Als Erstes
bei meiner Frau Silke, die mich in vielen Gesprächen inspiriert und mir an vielen Wochenenden den Rücken freigehalten hat.
Dann bei meinen Freunden Markus Spieker, Thomas Wendt, Michaela und Georg Pelz, Lars Schmädicke, Lars Michaelsen, Carsten
Aue, Marcus Schmidt, Steffen Ehl, Reiner Kafitz, die mir zahlreiche wertvolle Anregungen gaben, sowie bei meinen Kollegen
bei der WirtschaftsWoche Andreas Große Halbuer, Cornelius Welp, Christian Schlesiger, Thomas Katzensteiner, Sebastian Matthes,
Steffi Augter,
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