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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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ihn durch Verrat wieder zu ergreifen, obgleich er an eurem See im Lande der Freiheit ist. Spitzt eure Ohren und teilt mir sofort alles mit, was ihr erfahrt. Ich erlaube euch, bei Tag und bei Nacht in mein Zimmer zu kommen.«
    Die Ruderknechte antworteten begeistert; sie verstand, sich beliebt zu machen. Aber nicht die Wiederergreifung Fabrizzios war es, was sie beschäftigte: seit dem verhängnisvollen Befehl, den Wasserbehälter im Palazzo Sanseverna auslaufen zu lassen, drückten sie andere Sorgen.
    Aus Vorsicht hatte sie für Fabrizzio eine Wohnung am Hafen von Locarno, auf Schweizer Gebiet, gemietet. Alle Tage besuchte er sie, oder sie kam dorthin. Man kann sich die Freuden ihres Beisammenseins ausmalen, wenn man folgendes hört: Die Marchesa del Dongo und ihre Töchter kamen zweimal zu Besuch, und die Anwesenheit dieser Fremdlinge heiterte die beiden auf; denn trotz der Blutsverwandtschaft kann man jemanden fremd nennen,der unsere teuersten Interessen nicht teilt und den man nur einmal im Jahre sieht.
    Eines Abends war die Duchezza in Locarno bei Fabrizzio in Gesellschaft der Marchesa und ihrer Töchter. Der Oberpfarrer der Gegend und der Ortspfarrer hatten sich eingestellt, um den Damen ihre Aufwartung zu machen. Der Oberpfarrer, der an Handelsunternehmungen beteiligt war und sich über alle Neuigkeiten auf dem laufenden hielt, platzte mit der Nachricht heraus: »Der Fürst von Parma ist tot!«
    Die Duchezza wurde totenbleich; kaum hatte sie den Mut, zu fragen: »Weiß man Näheres?«
    »Nein, gnädige Frau«, erwiderte der Oberpfarrer. »Die Nachricht beschränkt sich darauf, daß der Tod verbürgt ist.«
    Die Duchezza blickte auf Fabrizzio. ›Für ihn habe ich das getan!‹ sagte sie bei sich. ›Ich hätte tausendfach Schlimmeres getan, und da sitzt er gleichgültig vor mir und denkt an eine andere!‹
    Es überstieg die Kraft der Duchezza, diesen schrecklichen Gedanken zu ertragen; sie fiel in tiefe Ohnmacht. Alle Anwesenden bemühten sich um sie; aber als sie wieder zu sich kam, bemerkte sie, daß Fabrizzio weniger um sie bemüht war als der Oberpfarrer und der Pfarrer. Er träumte wie gewöhnlich vor sich hin.
    ›Er denkt an seine Rückkehr nach Parma‹, sagte sich die Duchezza, ›und vielleicht daran, die Heirat Clelias mit dem Marchese zu vereiteln. Aber ich werde ihn davon abzuhalten wissen.‹ Dann fiel ihr die Gegenwart der beiden Geistlichen ein, und sie beeilte sich, laut zu sagen: »Er war ein großer Fürst, der viel verleumdet worden ist. Ein unersetzlicher Verlust für uns!«
    Die beiden Geistlichen verabschiedeten sich. Die Duchezza wollte allein sein und erklärte, sie ginge zu Bett.
    ›Zweifellos‹, sagte sie sich, ›gebietet mir die Vorsicht, einen oder zwei Monate zu warten, ehe ich nach Parma zurückkehre; aber ich fühle, daß ich diese Geduld nichthaben werde. Ich leide hier allzusehr. Fabrizzios beständige Träumerei, sein Stillschweigen sind für mich unerträglich. Wer hätte gedacht, daß ich mich an diesem herrlichen See langweilen würde auf Spazierfahrten mit ihm allein und zu einem Zeitpunkt, da ich ihn in einer Weise gerächt habe, die ich ihm gar nicht sagen kann! Nach einem solchen Erlebnis ist der Tod nichts. Jetzt bezahle ich für das leidenschaftliche Glück und die kindliche Freude, die ich in meinem Parmaer Palast empfunden habe, als Fabrizzio von Neapel zurückkam. Hätte ich ihm ein Wort gesagt, dann wäre alles erledigt, und vielleicht hätte er, an mich gebunden, nie an die kleine Clelia gedacht. Aber dieses eine Wort widerstrebte mir entsetzlich. Jetzt trägt sie den Sieg über mich davon. Was ist einfacher? Sie ist zwanzig Jahre alt, und ich, ich bin durch die Sorgen verändert, krank und doppelt so alt! Ich muß sterben; ich muß ein Ende machen! Eine Frau von vierzig Jahren ist nichts mehr für die Männer, die sie in ihrer Jugend geliebt haben! Ich würde nur noch die Freuden der Eitelkeit finden, und lohnt das die Mühe, zu leben? Ein Grund mehr, nach Parma zu gehen und mich zu vergnügen. Wenn die Dinge eine gewisse Wendung nehmen, geht man mir ans Leben. Meinetwegen, was ist Schlimmes dabei? Ich erlitte einen herrlichen Tod, und ehe es aus wäre, aber nur dann, sagte ich zu Fabrizzio: ›Undankbarer, es geschah deinetwegen!‹ Gewiß, ich kann kein anderes Ziel für meinen Lebensrest finden als Parma. Ich werde dort als große Dame leben. Welch ein Glück, wenn ich jetzt empfänglich sein könnte für die Auszeichnungen, die ehedem die Raversi so

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