Die Karte Des Himmels
sie Douglas ein paar von den Tüten im Kofferraum ab, aus denen in Geschenkpapier gewickelte Päckchen schauten.
»Tut mir leid, dass wir uns so verspätet haben«, sagte er mit ernster Miene. »Ich nehme an, dass Valerie dir alles erklären wird. Wir mussten unterwegs kurz Halt machen.«
»Oh«, sagte Jude und dachte an den Schmutz an den Schuhen ihrer Mutter. »Nichts Schlimmes, hoffe ich.«
»Nein, davon hatten wir vorher zur Genüge. Die Fluggesellschaft hat meine Golfausrüstung verschlampt. Verdammt ärgerlich, ich musste endlose Formulare ausfüllen. Nein, Valerie hatte eine kleine Besichtigung vorzunehmen. Kurios, wirklich. Kannst du bitte diese Geschenke nehmen ... du kennst doch Valerie, sie kann an keinem Laden vorbeigehen.« Er schlug die Kofferraumklappe zu und verlor kein Wort mehr über den rätselhaften Umweg, sodass Jude sich auf dem Weg ins Haus nach Spanien erkundigte und er ihr kurz erzählte, wie anstrengend es dort gewesen war. »Wir hätten wirklich warten sollen, bis die Villa fertig renoviert ist. Ich bedaure, dass ich so früh mit ihr dorthin gefahren bin. Sie fand es einfach unmöglich – heiß und verwirrend –, und ich werfe ihr das nicht vor. Ich kann es mir selbst kaum verzeihen.«
In der Bibliothek wirkte Valerie wie ein duftender Paradiesvogel mitten in den düsteren Farben eines englischen Landhauses, als sie ihrer Mutter zur Begrüßung auf die Wangen küsste und dann Robert die Hand schüttelte. »Die kleinen Süßen«, murmelte sie beim Anblick der Zwillinge.
»Mum, das ist Frank Thetford«, sagte Jude, und Frank begrüßte Valerie mit einem kräftigen Händedruck. »Meine Ma war eine alte Freundin von Ihrer Ma, deswegen sind wir hier«, erklärte er kurz. »Und das ist mein Sohn.«
Es wäre untertrieben, zu sagen, dass Valerie überrascht war, als ihr Blick auf Jon traf. Das Blut wich ihr aus den Wangen. Claire war so gnädig, sich einzumischen und Jon aus der Klemme zu helfen. »Mum, du erinnerst dich doch bestimmt noch an ihn, nicht wahr? Wir sind uns kürzlich wieder über den Weg gelaufen. Um ehrlich zu sein, er war es, der uns mit Summer geholfen hat. Und ...« Unwillkürlich klammerte sie sich an Jons Arm. Sanft nahm Jon ihre Hand in seine. Valerie ließ den Blick von Jon zu Jude und wieder zurückschweifen. Ihre geschminkten Lippen formten ein ungläubiges O. Jude beobachtete, dass es Frank nicht anders erging. Claire verdrehte die Augen.
»Weiß sie Bescheid?«, fragte Valerie schließlich.
»Summer?«, sagte Claire, die locker zu sein versuchte, aber einfach nur trotzig klang. »Nein.«
»Was?«, fragte Summer. Sie spürte, dass die Erwachsenen irgendein Geheimnis vor ihr hatten.
»Nichts, Schätzchen. Ich erkläre es dir später«, sagte Claire ernst.
»Also, ich glaube, er ist ein sehr netter junger Mann«, ließ sich Gran vernehmen, deren Hörgerät heute ausgezeichnet funktionierte.
»Alle haben es geahnt«, sagte Claire mit finsterem Blick.
»Wir haben es vermutet«, platzte Robert heraus und wurde rot. »Die Ähnlichkeit ist ... frappierend.«
»Nun«, sagte Frank, »ich bin erfreut, junge Dame, höchst erfreut.« Claire und er umarmten sich unbeholfen.
»Worüber redet ihr eigentlich?«, fragte Summer und wurde wütend, als alle nur lachten.
»Ich erkläre es dir später, mein Schatz«, sagte Claire, bückte sich und umarmte ihre Tochter. »Versprochen.«
Jude hörte, wie Frank zu Gran sagte: »Und jetzt habe ich ein kleines Mädchen, dem ich die Halskette geben kann!«
In diesem Moment betraten Alexia und Chantal das Zimmer. Sie trugen Tabletts mit Getränken und Essen vom Büfett für Valerie und Douglas. Es bildeten sich kleine Gruppen, und es wurde entspannt geplaudert. Die Kinder verkündeten, dass sie von den langweiligen Gesprächen der Erwachsenen genug hätten. Alexia stellte die Getränke ab und ging mit den Kindern ins Spielzimmer, wo sie DVDs anschauen wollten.
»Mum und Douglas, es gibt jemanden, den ihr noch nicht kennengelernt habt«, sagte Jude und trat mit Euan zu ihnen. Euan hatte schweigend in einer Ecke des Raumes gewartet und beobachtet, was vor sich ging, sich dabei aber offenbar sehr wohlgefühlt.
»Vermutlich habt ihr schon mal was von Euan Robinson gehört. Er ist Naturforscher und Autor.«
»Ah, ja, einer unserer Nachbarn war bei der Lesung im Buchladen«, sagte Douglas, als Euan Valerie und ihrem Ehemann auf höchst charmante Art die Hand schüttelte, und eine Weile unterhielten sie sich über Bücher und Spanien.
Weitere Kostenlose Bücher